Spanien – Gaudí und Taschendiebe

Gaudí und Taschendiebe

Mein Mann hat mich geweckt mit der Information, dass die Nachbarn unser Frühstück schon parat haben. Jean-Jacques hatte uns am Vorabend versprochen, für uns Kaffee zu machen. Aber dass es ein komplettes Frühstück werden würde, haben wir nicht gedacht.

Innerhalb von ein paar Minuten ist unser Zeug in den Motorradtaschen verstaut und wir sind parat für unser Abschiedsfrühstück. Es ist so süss, es gibt Früchte, Kaffee, Säfte, Tee und schon fertig getoasteter Toast. Dazu Konfitüre und Butter. Ich bin überglücklich und Medina macht ein Foto von uns, welches, später betrachtet, zeigt, dass ich voller Glück strahle.

Beim Bezahlen an der Rezeption gelingt es Gerd, der ständig mürrischen Rezeptionistin, welche offenbar die Chefin ist, ein Lächeln zu entlocken. Ein kurzes zwar, aber immerhin sie kann lächeln.

Nun aber rauf auf unseren vollgepackten Felix und los nach Barcelona. Die Fahrt zieht sich ein wenig, da wir am Meer entlang düsen wollen. Wir fahren die C31 entlang am Meer. Schon auf dem Hinweg fahren wir diese traumhafte Küstenstrasse entlang. Und wieder einmal spüren wir die Kraft vom Meer und sind einfach nur begeistert.

Meine happy-cow-app zeigt mir ein veganes Burgerrestaurant an und wir steuern geradewegs darauf zu. Wir sind ein paar Minuten zu früh oder die Inhaberin ein paar Minuten zu spät – egal wie, als wir dann dort unser Essen bestellen kommen wir sehr schnell mit der Inhaberin ins Gespräch.

Okay, wir sind die einzigen und um 12 ist hier auch keiner. Sie berät uns, sie erzählt von der veganen Szene in Spanien und der vielen Arbeit, die noch vor uns liegt, um den veganen Gedanken weiterzubringen. Esther, so heisst sie, verwöhnt uns kulinarisch und berichtet nebenbei, dass Katalonien und Spanien nicht immer einer Meinung sind, dass Katalonien seit ein paar Jahren die Stierkämpfe verboten hat und dass die Stierkämpfe im Süden Spaniens eher ein finanzielles Thema sind anstatt eine Freude der Massen. Sie meint, wenn man die Bevölkerung fragen würde, würden mehr Menschen gegen die Stierkämpfe und auch gegen dieses Stier-durch-die-Stadt-treiben sein. Wir selber haben davon eigentlich auf unserer Reise gar nichts mitbekommen und ich bin ehrlich gesagt auch sehr glücklich darüber.

Nach bestimmt 2 Stunden bei Esther und ihrem Essen und ihren Geschichten nehmen wir die letzten Kilometer unter die Räder nach Barcelona. Es mag ja viele Menschen geben, die Barcelona toll finden. Ich brauche scheinbar noch etwas Zeit, um mich davon begeistern zu lassen. Unser Hostel ist eine Katastrophe, aber wenigstens zentral und unser Felix kann gleich in der Nebenstrasse parken.

Gerd schläft eine Stunde und ich checke die news meiner kleinen Welt und dann geht‘s auf in das Treiben dieser riesigen, lauten, sonnigen und nicht zuletzt geschichtsträchtigen Stadt am Meer.

Erst einmal über die Rambla. Das ist die grosse Flaniermeile welche vom Plaza de Katalonia direkt zum Meer führt und Himmel und Menschen drauf herumlaufen. Alle Nationalitäten, alle Arten von Menschen, halbnackte mit Hotpants und vermummte mit Burkas. Man wird davor gewarnt, dass es hier viele Taschendiebe gibt. Wenn ich jemals jemandem Barcelona zeigen sollte, würde ich nie nie nie mit dieser Rambla anfangen. Ich finde das so gruselig und voll und nervig. Wenn das das erste Bild von dieser Stadt ist, ist es kein gutes. Ich würde wohl im gotischen Viertel beginnen.

Also runter die Rambla bis zum Hafen und hier kaufen wir uns einen Zweitagespass für die Stadt und können damit an zwei Tagen alle möglichen Touristenbusse nutzen. Für den grossen Überblick sind sie genial und für die Strecken, die man in Barcelona bewältigen muss, taugen diese Busse wirklich. Plus ein paar Stadtinfos. Wobei ich das Gefühl habe, dass man hier in Barcelona am liebsten von Gaudí spricht. Von Gaudí und Taschendieben.

Wir machen eine wunderschöne Tour durch das zentrale Barcelona und erfahren einiges über die Stadt. Da wir immer wieder ein-und aussteigen können, haben wir einen unfassbar schönen stop auf dem Monjuic gemacht. Hier fanden in den 90ern die olympischen Spiele statt und hier ist eines der schönsten Gebäude, welche in der Abendsonne warm leuchtet, das MNAC, das staatliche Museum. Vor dem eindrucksvollen Gebäude, es erinnert mich etwas in seiner Erhabenheit an den Reichstag in Berlin, geht eine grosse Freitreppe runter in die Stadt, begleitet von riesigen Toren und einem grossen Springbrunnen, der ständig sein Wasserspiel wechselt und in der Abendsonne richtig kitschig-schön wirkt.

Wir sitzen auf der Treppe, hören den Strassen Musikern zu und finden, dass es schon nicht mehr romantischer geht.

Wir fahren weiter wieder in Richtung Hafen, ich fühle mich recht dösig, wir spazieren etwas durch die Altstadt und schauen links und rechts in die Geschäfte hinein. Unser zum Minimalismus zwingendes Gepäckkonzept bringt uns dazu, hier nur zu schauen und nichts zu kaufen. Das macht mich tatsächlich immer wieder glücklich. Das wenige, was wir dabei haben (und es scheint immer noch zu viel) reicht uns völlig aus. Und Mitbringsel sind irgendwie komisch. Für uns tragen wir die Erinnerungen im Herzen, für alle anderen verbinden sich mit den Dingen hier ja keine wirklichen Erinnerungen an die Stadt.

Später am Abend entdecken wir ein vegetarisches Restaurant an einem ganz herzigen Platz etwas abseits der Rambla und essen dort gemütlich zu Abend. Und beobachten die Menschen. Besonders die Kinder auf dem angrenzenden Spielplatz haben es uns angetan, hier wieder besonders ein kleines Mädchen, welches so viel Energie hat und dabei so eine Eleganz und Sportlichkeit beweist, dass wir fast nicht wegschauen können und sie bewundernd immer wieder beobachten.

Wir sprechen über unsere Reiseerfahrungen. Über das, was wir wieder so machen würden und was wir wahrscheinlich komplett anders täten. Wir sind uns einig, dass wir viel viel langsamer reisen würden, wenn es Zeit und Budget zulassen würden. Wir würden gern mehr die lokale Sprache sprechen und uns noch mehr mit Menschen verbinden. Wir würden gern mehr über das Leben hier erfahren und wir hätten gern ein besseres Zelt. Wir würden wieder mit unserem super-Felix fahren, wir würden wieder zusammen reisen, wir würden mehr kochen und wir würden eventuell weniger online sein wollen. Ich persönlich würde wieder mit Reiseführer reisen. Das Experiment, mich auf Land und Leute ohne Reiseführer einzulassen, hat mich nicht überzeugt. Denn geschichtliches und architektonisch interessantes erzählt am Kiosk niemand. Und daran bin ich jeweils interessiert. So habe ich mir unterwegs einen Reiseführer auf das ipad geladen und lese ab und zu darin. Des weiteren finde ich, da wir das erste mal Low-Budget reisen, dass ziemlich viele interessante Dinge sehr viel kosten, Eintritte in Kirchen, in Museen und in Pärke sind sehr teuer. Allein in Barcelona haben wir weit mehr als 150 Euro allein für Eintritte ausgegeben. Das war in unserem Reisebudget nicht eingeplant. Früher habe ich mir darüber nie Gedanken gemacht und einfach bezahlt, heute denke ich daran, dass es wohl schade ist, dass Menschen die das Geld nicht zur Verfügung haben, nie Zugang zu diesen Dingen haben. Natürlich sind Sozialhilfeempfänger oder Studenten verbilligt im Eintritt, aber eben immer nur im eigenen Land.

Alles in allem glauben wir, dass wir ganz gut zusammen reisen können und das auch passt. Wir sind beide viel entspannter geworden. Ich besonders, glaube ich.

Okay, manchmal nerven mich immer noch Lärm, Gerüche, unsaubere Zimmer oder unfreundliche Menschen. Ich weiss, dass ich da drüber stehen könnte und das als Gegebenheit annehmen kann. Mach ich aber nicht. Nicht immer. Aber reisen bildet ja und ich werde immer besser im Gelassensein. Aber man stelle sich nur vor, ich wäre schon fertig mit der Übung. Welch Ruhe Gerd da hätte und welche Aufgabe er dann wohl noch mit mir hätte…

Später nach dem Essen wandern wir wieder über die Rambla, weil wir eben darüber müssen um zu unserer Nobelherberge zu gelangen. Ab ins Bett und schwitzen. Weil das einzige Fenster des klimaanlagenlosen Zimmers geht auf den einzigen Raucherbalkon der Herberge. Und dort stehen eben die Raucher und beduften unser Zimmer und bereichern unser Zimmer ausserdem mit Gras-Dämpfen und inhaltsschweren Gesprächen. Also Fenster zu. Schwitzen. Fenster wieder auf. Lärm. Fenster wieder zu. Und so geht das die ganze Nacht. Irgendwann schlafe ich ein wenig genervt ein…

 

 

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