012 – Sri Lanka – Was ist wirklich Urlaub für mich? Und: Tsunami 2004 – Erfahrungen der Helfenden

Was ist wirklich Urlaub für mich? Und: Tsunami 2004 – Erfahrungen der Helfenden

Nach einer Nacht in der wir gut geschlafen haben, packen wir unsere Sachen und frühstücken noch mal ausgiebig. Mittlerweile hat sich Toast mit Marmelade und Butter hier als Hauptfrühstücksart bewiesen. Das Sri-Lanka-Frühstück ist noch nicht so unser: Linsen zum Frühstück schaffen wir noch nicht.

Wir machen alles ganz in Ruhe, den Kindern geht es nicht ganz so gut, sie haben sich so sehr an der Sonne verbrannt. Ich glaube sogar, dass das echte Verbrennungen sind und sie zudem noch einen Sonnenstich haben.

Sie cremen sich ein und noch ein zweites mal, bis es mit dem Tuktuk los zum Busbahnhof geht. An Rucksack auf dem Rücken tragen ist bei den Kids nicht zu denken. Aber in der Hand geht es mehr oder weniger gut. Da wir alle mit recht leichtem Gepäck reisen ist das kein Problem.

Mir ist auch noch recht schwummerig, aber es geht. Direkt am Busbahnhof angekommen, welcher übrigens ein Gefühl vermittelt, ein hupendes, lärmendes Blechknäuel zu sein, finden wir dank der schreienden Busfahrten-Verkäufer direkt den richtigen Bus. Rein mit uns, die Rucksäcke werden vorn beim Fahrer deponiert, da die Gänge recht eng sind und die Gepäckablage über den Sitzen eher für Handtaschen taugt. Wir besetzen 2 Reihen mit jeweils einem Fensterplatz. Die geöffneten Fenster bescheren uns schönen Fahrtwind. Etwa 2 Stunden später sollten wir in Unawatuna ankommen. Wir haben den chaotischsten, lebensmüdesten Busfahrer, den wir je erlebt haben. Er scheint das hier übliche Linksfahrgebot komplett zu ignorieren und fährt laut hupend eigentlich nur rechts. So nach dem Motto: der Stärkere hat recht. Ich sitze Gott sei dank so, dass ich nicht direkt den Verkehr sehen kann, Kathi und Gerd jedoch haben alle paar Sekunden kleine Panik-Blicke. Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie ich mich auf den Plätzen machen würde. Bin ich doch so eine schlechte Beifahrerin. Die Autos, die Tuktuks, die kleinen Motorräder und die Busse scheinen hier einem eigenen Gesetz zu folgen. Verkehrsregeln haben damit nichts zu tun. Ich denke da eher, dass es so etwas wie einen natürlichen Fluss gibt, ähnlich wie Wasser. Wasser sucht sich ja auch den Weg um alle Hindernisse herum. Irgendwie geht immer alles auf. Entspannt betrachtet ist es wirklich wie im Fluss. Und wenn ich wohlwollend das Überholen, die vielen Hupereien und die Lichthupen übersehe- und höre ist doch alles wunderbar. Ich versuche mich immer mehr an den Flow hier zu gewöhnen. Geht es mir gut, geht auch das gut. Bin ich müde oder schlapp, funktioniert es weniger.

Wir beobachten, dass die Busse immer mal wieder an buddhistischen Tempeln anhalten und der Busfahrten-Verkäufer schnell rausspringt und ein wenig Geld in eine Kasse wirft. Wir vermuten, dass hier gespendet wird. Und wir interpretieren, dass das wohl alles fürs gute Karma sein muss. Oder dass hier Abbitte geleistet wird für den chaotischen Verkehr. Auf jeden Fall hilft es und wir kommen immer heil am Ziel an.

Irgendwann erreichen wir dann Unawatuna, welches mit den Hammer-Stränden wirbt. Wir haben nun für die Strandtage ein etwas besseres Hotel gebucht mit Pool. Wir steigen aus dem Bus, sofort stehen zwei Tuktuks für uns parat und eigentlich ganz einfach, Hotelname gesagt und ab dafür. Leider weiss weder der eine zahnlose noch der andere Tuktukfahrer wo das Hotel ist. Was für uns immer wieder ein Phänomen ist: bevor ein Sri Lanker sagt, dass er es nicht weiss, wird er erst einmal losfahren, lächeln und mal schauen. So fahren wir die Strasse auf und ab, die Berge hoch und irgendwann verlieren wir sogar unsere Kids im Tuktuk hinter uns.

Irgendwann kommen wir dann doch im Hotel an, also Gerd und ich. Übrigens sind es etwa 100 Meter von der Bushaltestelle gewesen. Hätten wir gut laufen können. Der freundliche Engländer, dem die Villa in Paradise gehört, begrüsst uns und lächelt, als wir ihm erzählen, dass wir unsere Kids verloren hätten. Er, mit seinem englischen Humor, meint, nun können wir unseren Urlaub so richtig geniessen. Er sagt, dass eigentlich alle Tuktukfahrer das Hotel kennen. Nur dass er an die Tuktukfahrer keine Provision bezahlt und die deswegen so tun, als kennen sie das nicht.

Kathi und Moppi werden wohl auch aus diesem Grund quer durch Unawatuna gekarrt und landen in einer Hotellobby mit der Aussage: hier sind wir richtig. Kathi nutzt die Gelegenheit, um schnell ins WLAN zu gehen und mich anzurufen. Ich bin beruhigt. Und in der Hotellobby findet sich auch ein junger Sri Lanker, der schon mal in Deutschland studiert hatte und der kennt auch das Hotel, in dem wir auf unser lieben Kleinen warten. Schnell steigt er mit ins Tuktuk und genau so schnell sind unsere Mäuse wieder bei uns. Nachdem wir schon 200 Rupien für unsere Tour bezahlt haben (viel zu viel für die paar Meter) wollte nun der Tuktukfahrer von den Kindern 400 haben. Gerd hat ihm einfach auch 200 gegeben und gut war.

Endlich richtig angekommen ging es sofort in den hauseigenen Pool. Denn an den Strand, in die Sonne, wollen und können die Kinder immer noch nicht. Der Pool ist auch wunderschön. Umgeben von Palmen und Jackfrucht-Bäumen. Etwas Sonne, etwas Schatten. Nebenan zwei grosse Hängematten, ein paar Liegestühle und ein Kühlschrank im Haus gefüllt mit kühlen Getränken.

Der Hausherr ist unglaublich unterhaltsam und freundlich, hat seinen eigenen englischen Humor. Er erzählt uns eine Menge über die Region, über sein Leben, über die Menschen hier und ich darf auch mal etwas zu dem Tsunami in 2004 fragen. Die Villa hier liegt am Hang, sodass wir über die Hütten auf den Strand und aufs Meer blicken können. Er erzählt uns, dass die Tsunami-Welle bis etwa ein paar Meter vor sein Haus kam und mit ihr die Menschen anspülte. Es gab wohl einige zu retten, aber leider zu wenige. 35.000 Menschen starben an diesem Tag. 80.000 verloren ihre Bleibe. In der Villa hier ist normalerweise Platz für 20 Gäste. Roger und seine Frau beherbergten damals etwa 112 Menschen für ein paar Tage bis die Botschaften Ersatzreisepässe ausstellten und die Menschen mit Bussen zum Flughafen fuhren. Es muss grausam gewesen sein. Allerdings erzählte er uns auch, dass die Sri Lanker hier ein schlechtes, armes und hartes leben gewöhnt sind. So haben sie ohne grosses Theater einfach angefangen, alles wieder aufzubauen. Nach zwei Wochen war so etwas wie Normalität eingetreten und durch viel Spenden konnte viel aufgebaut werden.

Spannend in diesem Zusammenhang wäre dann noch, dass die grossen Charity-Gesellschaften hier nur mit ihren neuen riesigen Jeeps patrouillierten, während Einzelpersonen oder ganz kleine Organisationen einfach Geld sammelten, in der Heimat Medikamente und das wichtigste kauften und mitbrachten und einfach vor Ort halfen, aufbauten und die Menschen direkt unterstützten. Mir zeigt das wieder einmal, dass Hilfe am Menschen nicht von der Grösse der Hilfsorganisation Organisation abhängt, sondern von der Nähe, von kleinen Taten, die dann eventuell auch Grosses bewirken können.

Wir fühlen uns hier in der Oase sehr wohl, wir geniessen die Ruhe, die umsorgende Art der Gastgeber und den Pool. Am Abend folgen wir der Empfehlung des Hausherrn und gehen an den Strand in ein Restaurant mit Meerblick, tolle Küche, tolles Essen. Mir ist noch nicht so nach Essen und ich begnüge mich mit 2 trockenen Toasts.

Und, wie immer in unseren Ferien, sind wir schon kurz vor 8 fertig mit dem Abendessen und komplett kaputt. Kurz nach 8 liegen wir im Bett und schlafen. Klimaanlage sei dank, tief und fest bis zum Morgengrauen, welcher hier pünktlich um 6 Uhr ist. Genau so ist auch der Sonnenuntergang um 6 Uhr. Innerhalb weniger Minuten ist dann die ganze Insel dunkel.

Etwas noch zu den Ferien im allgemeinen.

Ich merke, dass ich kaum richtig zum Tagebuch schreiben komme, einfach nur die Dinge, die wir erleben, aufzuschreiben, empfinde ich eigentlich als langweilig. Aber zu mehr bin ich fast nicht in der Lage. Ich muss mich fast verstecken, um in Ruhe schreiben zu können. Immer kommt jemand und fragt etwas. Immer ist irgendetwas. Ruhe ist hier nicht so vorhanden. Ich liebe aber Ruhe so sehr. Ich muss mir die Ruhe suchen. Am Morgen, kurz nach Sonnenaufgang, wenn alle noch im Bett bleiben. Ich sitze nun auf der Terrasse mit Blick aufs Meer. Die Palmen bewegen sich leicht, manchmal huscht ein Äffchen oder ein Eichhörnchen durchs Gebüsch. Im Rasen am Pool leben zwei Warane, die recht gross (40-60 cm) sind und immer mal schauen, was so los ist. Sowie wir uns aber bewegen, huschen sie schnell weg. Schmetterlinge fliegen durch die Luft. Ganz fern von der Strasse höre ich das erste Hupen.

Ansonsten zwitschert es hier in allen Tonlagen, ich fühle mich wie in einem Dschungel. Ums Haus herum wird gefegt, der Raschelbesen streicht ein ums andere mal das Laub vom Weg. Der Gastgeber gibt mir eine Kanne Tee, Ceylontee, selbstverständlich und ich bin sehr zufrieden. Nach und nach erwacht hier alles. Die Sonne kommt kräftig raus, ich muss den Platz wechseln, weil mir das schon jetzt um 6.30 Uhr viel zu heiss wird. Am liebsten würde ich in den Pool springen. Vielleicht mache ich das auch noch vor dem Frühstück, mal schauen.

Unser Zusammenleben hier mit den Kindern klappt ganz hervorragend. Wir lachen viel, wir spielen viel UNO und wir unternehmen fast alles zusammen. Es klappt auch wunderbar, dass wir fast immer in Vierer-Zimmern sind. Mittlerweile passt das wirklich gut. Die beiden, das merken wir, haben sich wirklich gern. Machen viel gemeinsam.

Mir fehlt ein wenig die Privatsphäre mit Gerd, die Ruhe, die schönen Gespräche. Die finden hier weniger statt. Der Gedankenaustausch, der mich sonst immer so beglückt.

Alles in allem bin ich aber sehr glücklich, dass wir zusammen diese Ferien machen. Es gibt wohl nicht viele Familien, die mit so «alten» Kindern noch diese Art von Ferien machen.

Letztens bemerkte Moppi, dass er die Art zu reisen wie wir, also Backpacking, ziemlich gut findet. Er kann sich das wohl auch gut öfter vorstellen. Kathi kennt das ja auch vom Interrail im vorletzten Jahr und ich glaube, sie mag das auch. Wir waren wirklich in schlechten Zimmern. Gerade sind wir in einem sehr sehr schönen Haus. Alles machen die Kinder mit ohne zu murren. Beim Essen suchen sie sich nicht die teuersten Dinge aus. Sie schauen, dass es für uns alle passt.

Allerdings sind wir sicher schon über unserem Budget. Aber irgendwie ist es uns auch gerade etwas egal. Wir geniessen die Zeit, wir geniessen uns.

Ich bin sehr dankbar für die gemeinsame Zeit. Ich bin dankbar für die Spontanität, für die Toleranz und für die Gemeinsamkeit mit den Kindern. Ich bin dankbar, dass Gerd all das mit mir und den Kindern macht. Ich bin dankbar, dass das Leben so viel Schönes für mich bereithält.

Shownotes für iTunes: https://www.leben-pur.ch/012-sri-lanka-was-ist-wirklich-urlaub-fuer-mich-und-tsunami-2014-erfahrungen-der-helfenden/

 


Infos:

Hostel in Tangalle: Namal Garden Beach Hotel

Reiseführer: Stefan Loose Reiseführer Sri Lanka

Facebook-Gruppe zu Reisen in Sri Lanka

Bahn Sri Lanka

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