Spanien – Abschied leicht gemacht

Abschied leicht gemacht

Mañana, mañana. Das spanische 9 Uhr ist noch längst nicht unser 9 Uhr. Wir haben rasch gepackt und verlassen kommentarlos das Hostel. Und nun noch ab zum Vegi-Restaurant, wir stehen wie schon so oft vor verschlossener Tür, es ist ja auch erst halb 10. Gegenüber gibt es auch Espresso, dann eben da.

Ein wenig später öffnet es dann und wir essen die vegetarische und vegane Version vom English Breakfast mit Bohnen und keinem Speck. Schmeckt prima und wir verlassen gesättigt und zufrieden das Lokal in der Nähe der Rambla.

Diese fahren wir ein letztes Mal entlang, während wir zum Hafen gelangen. Die Beschilderung zur Fähre ist abenteuerlich und wir fahren statt nach schildern nach Gefühl und schwups, sind wir am richtigen „Steg“ angekommen. Seelenruhig werden wir eingecheckt und abgefertigt, ein kleines Schattensegel dient uns, dass wir die pralle Mittagssonne nicht ganz so pur nehmen. Die Warteschlange hier in Barcelona ist sehr überschaubar, scheinbar sind schon die meisten in Marokko aufs Schiff gekommen und hier in Barcelona kommen nur noch zwei Hände voll mit rein. Dennoch sind es sicher 20 oder mehr Motorradfahrer. Es ist für mich wieder einmal spannend und ich habe grosse Freude am filmen der Fähren-Einfahrt. Um 13 Uhr legt der Riesenkoloss ab und wir verabschieden uns von Spanien.

Wir sind ja nun schon alte Hasen und wissen, was uns erwartet. Diesmal nehmen wir statt dem ganzen Hygienezeug (welches wir, je länger die Reise geht, desto weniger brauchen) lieber Isomatten und Schlafsäcke mit. Uns Neuankömmlingen wird ein riesiger Kinoähnlicher Raum zugewiesen, welcher wieder so aussieht wie auf der Hinfahrt, mit bequemen Kinositzen und ausreichend Platz. Vorn im Raum gibt es sogar einen Podest mit einem Rednertisch. Warum dieser da ist, erschliesst sich uns überhaupt nicht. Aber wir packen unsere Schlafsäcke aus und rollen die Isomatten auf und schon haben wir auf dem Podest, direkt unter dem Rednerpult, das beste, kuscheligste, gemütlichste und geschützteste Zelt welches es auf diesem Schiff gibt. Wir lesen, schreiben whatsapp (solange noch Empfang zum spanischen Netz besteht) und ich tippe in mein Tagebuch.

Während wir so unsere Nacht-Stadt aufbauen, fühle ich mich wild und abenteuerlich. Einfach so Matten und Schlafsack ausbreiten und statt einer guten und ordentlichen Kabine zu buchen, sind wir wild und ungezogen. Ich weiss, dass das so gar nicht verrückt ist, aber ich fühle das gerade. Gerd lächelt milde über mich, denn er weiss, für richtig wilde Abenteuer brauche ich noch lange. Und so ist es fantastisch, dass ich dieses kleine ausser-der-Reihe-Camping abenteuerlich finde. Und so sind wir beide sehr glücklich.

Und wie das so ist auf Reisen, sowie ich fertig mit dem organisieren bin, habe ich Lust auf ein Picknick. Gut, dass wir am Morgen noch veganen Kuchen, eine ganze Tüte voller Obst und ein riesiges knusperfrisches Baguette gekauft haben. Bloss gut, dass Gerd mich erinnert, dass das alles bis morgen früh halten sollte. Sonst wäre um 4 schon alles weg.

Später machen wir unseren ersten Rundgang übers Schiff – wahrlich erhebendes gibt es nicht zu sehen. Gerd hat da schon seinen ersten Powernap hinter sich. Wir trinken Espresso aus Styroporbechern (igitt!) und sehen den ganzen Marokkanern beim Kartenspiel und Shisharauchen zu. Überall liegen die Menschen. Auf Decken, Matten, in Schlafsäcken und sogar in den Bars und Cafés an Bord liegen Frauen und Männer und schlummern. Schliesslich sind sie schon seit über 24 Stunden unterwegs und hier scheint es so etwas wie Etikette nicht zu geben.

Anders als auf der Fahrt nach Barcelona sind diesmal unglaubliche viele Kinder mit an Bord. Das macht das Bootsleben sehr lebhaft. Wir beobachten die ganz kleinen, welche laufen lernen, welche die sich in kleinen Gangs zusammenrotten und über das ganze Schiff rennen, treppab und -auf und juchzen und schreien und lachen. Wir sehen die ca. 13-14jährigen, die cool, ihr Smartphone mit Musik vor sich hertragend, über Bord schlendern und der momentanen Mode entsprechend fast ihre Hosen unter dem Hintern verlieren. Aber dafür unendlich cool sind. Und die Herren, die schwatzend auf und ab gehen, die Frauen, die wachen Blickes iher Kinderschar versuchen im Auge zu behalten. Und dann die Menge an Menschen, uns leider eingeschlossen, die auf ihre mobilen Geräte schauen und surfen, chatten oder wie Gerd und ich, uns unser Reisetagebuch vorlesen. Das ist immer ein interessanter Moment, wo Gerd das erste mal das Tagebuch hört und auch erinnert, was wir alles gemacht haben und welche Gedanken ich so die Tage über hatte.

Wir liegen in unserer Höhle und diesmal lese ich es ihm vor und bei Tag 10 schläft er mir fast ein. Ich muss ihn nachher mal fragen, ob er wegen des Tagebuches oder wegen der vielen Aktivitäten heute so müde geworden ist.

Jeder Tag braucht Struktur und wir beschliessen spontan, heute ist 7 Uhr die beste Zeit zum zNacht. Also begeben wir uns mit unserem Picknick auf das sogenannte Sonnendeck. Dieses hat auch schon bessere Tage gesehen, wie alles hier auf der Fähre. Aber egal, wir lassen uns nicht stören und setzen uns auf die Planken, den Blick in den Sonnenuntergang und ich fange an unsere Tomaten zu schnippeln. Ich habe natürlich alles dabei, dachte ich. Die Gewürze liegen unten bei Felix, fest verschnürt und bis morgen früh nicht erreichbar. Nun muss ich mich statt mit Gewürzen mit Senf, Zitrone und Olivenöl behelfen. Die Zwiebel, welche ich noch gekauft hatte, scheint noch auf dem Supermarkt-Tresen zu liegen. Wenigstens ist die Avocado noch im Einkaufssack. Heute gibt es Tomatensalat aus der Impro-Küche. Gerd geht im Bistro auf die Suche nach Salz, Pfeffer und Zucker und siehe da, mit all diesen tollen Zutaten zaubern wir einen riesigen Tomatensalat.

Während ich so dasitze und uns schnipple spüre ich immer mehr den Blick der Leute auf uns. Zwei Österreicherinnen geben uns dann ihren Platz. Sie wollen wohl essen gehen, und sagen bewundernd, sie hätten uns beobachtet und sind fasziniert von unserer einfachen Art, unser Abendessen zu richten. Wir strahlen. Und wenngleich das natürlich nicht edel ist, bin ich ein wenig glücklich über die Bewunderung.

Wir geniessen den weltbesten impro-Tomatensalat bei Sonnenuntergang auf dem Deck Atlantik des Luxusschiffes Fantastic. Es ist unfassbar schön. Neben uns rauchen die Marokkaner (auch wenn ich natürlich gar nicht weiss, ob es Marokkaner sind) Shisha und die Welt bleibt für einen Moment stehen. Diese Momente sind jene, die mich auf Reisen glücklich machen.

Wenig später schieben sich Wolken vor die Sonne, es wird etwas frisch und wir gehen in unsere Schlafhöhle. Wir spielen noch ein paar Runden Karten, ich bereue schon wieder, Gerd jemals Rommé beigebracht zu haben, denn er gewinnt schon wieder…

Und nun rein in den Schlafsack, eine kleine Runde lesen und schon gleiten wir im Rumpeln des Bootsmotors und dem wenig leisen Quasseln der deutschen Kinderrasselbande ins Reich der Träume.

 

 

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