Abschied – Und noch einmal Tunesien «spezial»

Abschied – Und noch einmal Tunesien «spezial»

Wir sind wehmütig. Jammern leise vor uns hin. Zum letzten Mal Strand hier. Zum letzten Mal das tunesische Lächeln. Das letzte Mal dies, das letzte Mal das. Wir tanken voll, bei 70 Cent pro Liter keine schlechte Idee. Wir füllen unsere Schränke mit Fenchel, Gewürzen, Früchten und kiloweise Haferflocken. 

Und wir saugen Tunesien noch einmal ganz in uns auf. Das Schlendern über den Markt, den Kaffee «Türk» und den frischen Saft der Orangen vom Kap Bon. Wir lächeln ein letztes Mal über die Plüschkamele, von denen Gerd mir keines schenken will, und tanzen zu Discomusik in tunesischer Lautstärke (also: volle Pulle!) am Kiosk am Hafen von Tunis.

Wir parken noch einmal wild im Kreisverkehr, treffen «unsere» Franzosen wieder und nehmen innerlich Abschied von diesem Land, das uns zunächst so widerspenstig erschien und uns dann doch verliebt gemacht hat. Das Land, die Menschen, die Natur. Ein Land mit Charakter und Herzenswärme. Mit viel Armut im Portemonnaie und so viel mehr Reichtum im Herzen. Du für uns Reisende wunderbares, offenes, freies und grosszügiges Tunesien: Merci! Shukran! Danke.

Wir blicken zurück, blättern in unserem Reisetagebuch und sind dankbar für die Fügungen des Schicksals. Jeden einzelnen Tag. 

Jetzt geht es auf die Fähre.

Von anderen wissen wir, dass das noch einmal Tunesien pur sein kann. Wir bleiben entspannt und warten. Hier nun ein kleiner Ablauf der Ereignisse, nicht ganz ernst gemeint. Denn nach müde kommt doof. Sorry dafür.

  • Der Check-in öffnet um 15 Uhr, die Abreise ist für 23.59 Uhr geplant.
  • Wir sind um 15 Uhr dort. Aber weder Check-in noch andere Autos sind im Hafen. Sind wir hier richtig?
  • Wir werden von zwei «Offiziellen» angesprochen, sie wollen Formulare für uns ausfüllen, ausserdem wollen sie Geld. Das bisschen, was wir noch haben, reicht ihnen nicht, sie gehen.
  • Wir warten.
  • Ab 17 Uhr füllt sich der Parkplatz, «unsere» Franzosen kommen. Auch ein französischer Motorradfahrer. Wir fühlen uns jetzt als Gruppe.
  • Wir warten
  • 17.30 Uhr bildet sich eine Schlange am Schalter, von offenem Fenster keine Spur.
  • 18 Uhr werden wir von «offizieller Seite» gefragt, ob man uns die ganzen Sachen (welche, erfahren wir nicht) abnehmen könnte. Dann ginge alles schneller. Wir entgegnen, dass wir sowieso warten müssten, also könnten wir auch zusammen in der Schlange warten.
  • Wir Frauen haben nun unsere Papiere zusammen, es dauert ganze 30 Sekunden: Pässe zeigen, Ticket ausdrucken, fertig. Wir laufen rüber zu den Männern, fahren los und stellen uns in die Schlange zur Fähre.
  • «Offizielle» kommen und sagen, dass wir in der falschen Schlange stehen. Diese Fähre hier führe wohl nach Rom, wir müssen woanders hin. Also wieder rückwärts raus, jetzt stehen wir an der richtigen Schlange. (Bis wir merken, dass die beiden Schlangen vorne reissverschlussartig zusammenlaufen). Man will ein bisschen Geld für die Hilfe. Ausserdem fummeln sie wieder an Formularen herum, die sie nun hochdramatisch ausfüllen.
  • Wir zeigen einmal mehr unsere Pässe und Fahrzeugpapiere.
  • Während der ganzen Aktion koche ich Abendessen, sitze also hinten und kann mich nun wirklich nicht um das Theater der Männer kümmern.
  • Wir warten.
  • Zentimeter für Zentimeter rollen wir weiter. Vielleicht zwei Autolängen.
  • Wir warten derweil ein wenig.
  • Die Zollkontrolle: Vor uns muss ausgepackt werden. Das ganze Auto. Neben uns muss alles ausgepackt werden! Mental bereiten wir uns auch darauf vor, ich suche schon mal einen dritten Teller, schliesslich wollen wir gerade essen und ich würde den Zöllner einfach einladen. Essen ist wichtig!
  • Draussen herrscht plötzlich umtriebige Hektik. Grundlos. Aber Hektik.
  • Wir essen dann doch getrennt, Gerd bringt die Pässe und Papiere irgendwohin. Holt ein Formular, füllt es aus, bringt es weg, bringt die Pässe zurück. 
  • Gerd isst, ich wasche ab.
  • Der Zöllner schaut von draussen in unser Fenster (hat wohl Angst, beim Abwasch helfen zu müssen, zum Essen kam er nun leider zu spät!) und nickt. Gibt uns jedoch die Fahrzeugpapiere zurück, nimmt dafür irgendeinen anderen Zettel von der Einreise an sich. Das war der Zoll für uns.
  • Es ist 20 Uhr. Und wir sind jetzt satt, fertig abgezollt und könnten auf die Fähre.
  • Wir warten.
  • Vor uns steht ein 4×4 Jeep und blockiert unsere freie Fahrt. Hinter uns «unsere» Franzosen, das ist gut, denn die haben noch Internetguthaben und wir Zugang zu ihrem Hotspot, denn unsere tunesischen Gigabytes sind schon leer. Wir schreiben hin und her und vertreiben uns die Zeit.
  • Wir können den Jeep überholen, stehen jetzt 20 Meter weiter vorne in der Schlange.
  • Wir warten.
  • Es ist 21 Uhr und: wir warten.
  • Es ist 22 Uhr, wir sind wieder 12 Meter weiter, wir warten.
  • Es ist 23 Uhr und unsere Fähre kommt tatsächlich jetzt erst an. Jetzt heisst es demnach: ausladen. Wir alle Richtung Fähre und die Autos Richtung Tunesien stehen sich am Zoll gegenüber. Es wird gedrängelt, wir werden hin- und her gelotst, damit sich einigermassen saubere Schlangen bilden.
  • Hektik: es wird gedrängelt, aus drei Spuren können Tunesier auch fünf machen. Hupen. Pfiffe. Lautes Rufen. Und wieder einmal: grundlose Hektik. Oder ist es Temperament?
  • Ich lege mich ins Bett und schlafe sofort ein, Gerd kann auch alleine vorne warten.
  • 23:59 Uhr: Die Abfahrt scheint sich offensichtlich zu verzögern, wir stehen am selben Platz wie 22 und 23 Uhr. Inzwischen sind wir die Vorletzten in der Schlange, «unsere» Franzosen die Letzten. Wie das passieren konnte, wo wir doch um 3 Uhr die Ersten waren, bleibt uns ein Rätsel.
  • Gegen 2 Uhr (wir warten, ich bin wieder wach) kommt Bewegung in die Schlange. Ein, zwei Autos dürfen auf das Schiff, dann wird die Rampe für uns gesperrt. Grosse Container werden über «unseren» Weg auf ein anderes Schiff verladen. Wir warten. 2 Autos – ein Container – 2 Autos – ein Container. 
  • Wir warten mal ein bisschen.
  • Wir blödeln nun nur noch herum, eine sinnvolle Unterhaltung ist nicht mehr möglich. Gut, dass wir in diesem Zustand nicht noch mit dem Zoll diskutieren müssen.
  • Ein voll beladener Kombi vor uns setzt mit der Anhängerkupplung auf der Schiffsrampe auf, die Räder schweben in der Luft. Mama und Oma steigen aus, Unmengen von Kisten und Taschen werden ausgepackt, der Kombi bekommt wieder Bodenhaftung und kann weiterfahren. Mama und Oma müssen laufen. Wir können nicht mehr vor Lachen.
  • 3.18 Uhr: Wir fahren auf die Rampe, wir haben es geschafft. Als Vorletzte!
  • Ein letztes Mal zeigen wir die Pässe, man schaut mit müden Augen kurz ins Seitenfenster und lässt uns passieren.
  • 3.20 Uhr nehmen wir unsere Tasche, versuchen unser Glück bei der Kabinenbuchung und beziehen 3.40 Uhr irgendeine Innenkabine. Ob und wann es losgeht, wissen wir nicht mehr. Wir schlafen tief und fest.
  • 10 Uhr morgens: Statt liebevollem Wecken die Durchsage: «Unser Duty-Free-Shop ist jetzt für Sie geöffnet!» Direkt in die Kabine, direkt ins Ohr! Wir gehen nicht shoppen, wir vertun die letzte Chance für ein Plüschkamel.
  • 11 Uhr, wir sitzen gemütlich bei einem italienischen Espresso (Si! Si!) an Deck, plaudern mit dem Motorradfahrer, der eine Tour durch Algerien gemacht hat (und wir haben schon neue Ideen und viele Möglichkeiten!) und spielen mit Adame, dem Sohn «unserer» Franzosen im Spielzimmer.
  • Wir warten, das Fernglas in der Hand und das Herz voller Erinnerungen. Die lange Nacht ist vergessen.
  • Die Küste Siziliens taucht auf, schneebedeckte Berge, grüne Landschaften, türkisblaues Wasser: Italien, wir kommen!

PS.: Ich hab dazu mal ein kleines Video gebastelt, was ich live unserer Familie und unseren Freunden geschickt habe (Langeweile lässt grüssen!). Und nein, wir werden kein YT-Kanal aufmachen, dafür schreibe ich viel zu gern.

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Merci fürs «Mitreisen»

Wir überlegen, im Sommer wieder eine Reisepause zu machen und unsere Familien in Deutschland und der Schweiz zu besuchen. Mit dabei ist eine Idee, einen Vortrag über unsere lange Reise bis an den persischen Golf vorzubereiten. Falls Ihr Lust hättet, was würde euch am meisten interessieren? Hier werden wir auch Geschichten erzählen, die hier auf dem Blog keinen Platz finden. Wir denken an den Raum Bern und Berlin – einfach, weil wir da Familie haben. Aber auch andere Orte wären vorstellbar. Schreibt uns gern.

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Dieter
Dieter
1 Jahr zuvor

Puh. Das war ja noch heftiger als von mir erwartet. Wir müssen ja auch bald zurück.

Habt ihr mit Grimaldi verschifft?
Wieviel habt ihr denn bitte bezahlt für die zweier Kabine?

Heike
Heike
1 Jahr zuvor
Reply to  Dieter

Hallo Dieter!
Mit Geduld ist alles machbar.

Bisher haben wir immer mit GNV 70 Euro für die Kabine bezahlt, egal wohin (Genua-Barcelona, Genua -Tunis oder nun Tunis -Palermo).

Sie wollen zwar immer noch ein Late-checkout Zuschlag verkaufen, nehmen wir aber nie. Irgendwann zwischen 11 und 12 wollen die Reinigung -Truppen rein. Da sind wir eh schon auf Deck.

ganz viel Spaß bei eurer Überfahrt! Und berichtet mal 😉

Liebe Grüsse – Heike

Dieter
Dieter
1 Jahr zuvor
Reply to  Heike

Vielen lieben Dank, Heike. Dann werden wir das diesmal auch so machen, also mit Kabine.

Wir haben noch 3-4 Wochen und werden von Djerba noch mal zurück durch die Berge nach Douz und von dort so 55 km südwärts in die Wüste, noch einmal in die Einsamkeit und die landschaftl. Schönheit geniessen.

Euch eine gute Zeit, ich vermute mal in der Schweiz, und viele Grüsse von Brigitte und Dieter (ohne dein Blog hätten wir Tunesien mit Womo nie entdeckt 🙂 )

Beate
1 Jahr zuvor

Dankeschön, das Video war äußerst unterhaltsam! Drollig, dass da immer mal kurz das „Berlinern“ durchkam….. Ich freue mich auf die neuen Berichte aus Italien! Grüße von Beate

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