Iran – Der Magie der persischen Karawansereien auf der Spur

Iran – Der Magie der persischen Karawansereien auf der Spur

Auf halbem Weg (wohin eigentlich?) liegt eine Karawanserei. Lese ich irgendwo. Nein, nicht im Reiseführer. Vielleicht auf Instagram? Ich weiss es nicht mehr. Also bitte ich Gerd nach 4 Stunden Rumpelpisten-Autobahn an dieser Karawanserei anzuhalten. Ein kurzer Blick soll uns genügen. Vielleicht bekommen wir auch einen Tee, das wäre schön.

Im Internet steht folgendes: Die Karawanserei Deyr-e Gachin im Iran, im Zentrum des Kavir-Nationalparks gelegen, wird wegen ihrer Geschichte und Einzigartigkeit manchmal als «Mutter der iranischen Karawansereien» bezeichnet. Ursprünglich in der Sassanidenzeit (etwa im ersten Jahrhundert) erbaut, wurde sie im Laufe der Jahrhunderte, einschliesslich der Seljuk-, Safawiden- und Kadscharenzeit, erweitert und restauriert. Diese historische Stätte war eine wichtige Raststätte für Reisende und Händler auf der Seidenstrasse. Sie ist eine von 54 persischen Karawansereien, die zum Weltkulturerbe der UNESCO gehören.

«Gerd, hier machen wir Pause.» Leider verpassen wir die Abfahrt von der Autobahn. Die sind hier eher so sandig-schräg und schlecht ausgeschildert. Aber Gerd, mein neu-chaotischer Chauffeur, kennt sich aus: Er wendet einfach neben der Autobahn und fährt die paar Meter auf dem Standstreifen zurück. Halleluja. Hoffentlich lesen unsere Mütter das nicht.

Die Karawanserei ist verschlossen, nach einem sanften Klopfen an das grosse Tor wird geöffnet. Wir müssen unsere Pässe vorzeigen, wir werden registriert. Gut, man gewöhnt sich an alles. Aber was uns jetzt erwartet, hätten wir uns nie träumen lassen.

Wir treffen auf eine Künstlertruppe, die seit etwa 8 Jahren diese Karawanserei betreibt. Es gibt ein kleines Café, ein Restaurant, einen Meditationsraum, der ursprünglich eine Moschee war. Es gibt ein paar kleine Hotelzimmer in den ehemaligen Händlernischen und es herrscht eine richtig gute Stimmung. Die jungen Menschen leben hier zusammen, manche nur am Wochenende, manche dauerhaft.

Wir fühlen uns sofort wohl, fragen, ob wir draussen übernachten dürfen und ob wir hier auch zu Abend essen können. Klar, ihr könnt euch hier wie unsere Übernachtungsgäste fühlen! Schaut euch um, fragt, seid neugierig und geniesst die Zeit hier!

Nach einem Kaffee und einer orientalisch schmeckenden heissen Milch (Zimt, Kardamom und andere Zauberzutaten garantiert!) schlendern wir durch die Karawanserei. Alle Besonderheiten werden uns gezeigt, es ist ein bisschen wie eine Führung. Einfach ein Traum.

Wir sind ein etwas müde und würden uns gerne ausruhen. Aber dazu kommen wir nicht, denn die nächsten Reisenden kommen aus Teheran. Sofort kommen wir ins Gespräch, langweilig wird es uns hier nicht.

Auf einem der kleinen Balkone vor den Zimmern, ich weiss nicht, wie man das nennen soll, hat einer der jungen Männer einen kleinen mobilen Friseursalon eingerichtet. Jetzt werden Haare geschnitten und Bärte gestutzt. Ich frage ihn, ob es ihm etwas ausmachen würde, meine Ponyfransen ein wenig zu begradigen (meine Nagelscherenschnitte sehen immer so schief aus), und sofort steige ich in die historische Nische, bekomme einen Umhang und natürlich bleibt es nicht beim Pony. Die Spitzen meiner, wie er sagt, viel zu trockenen Haare müssen auch noch geschnitten werden. Also los! Wir kommen ins Gespräch und erfahren, dass mein Friseur halb Iraner, halb Iraker ist und ich mit ihm nicht um den Preis feilschen muss. Er will gar nichts. Meine Güte, können wir hier irgendwann mal selbst bezahlen?

Plötzlich ruft es aus der Küche: Essen ist fertig. Der Veggie-Burger schmeckt fantastisch. Das Patty sieht dunkelgrün aus, ist da Spinat drin? Keine Ahnung, unsere Köchin kann es mir nur auf Persisch sagen, und Internet zum Übersetzen haben wir hier nicht, also bleibt es für immer ein Geheimnis.

Nach dem Essen setzen wir uns zu den anderen ins Café, trinken noch gemütlich eine ganze Kanne Tee aus, ich stricke und wir unterhalten uns mit den Gästen und den Künstler*innen. Zwei Tische weiter packen zwei junge Männer Instrumente aus. Diese sehen aus wie Gitarren, lang und dünn. Später erfahren wir, dass die Instrumente Setar und Tanbour heissen. Einer der Jungs beginnt zu spielen, wir tauchen ein in den Zauber traditioneller persischer Musik. Und dann passiert es: Stromausfall. Wir sitzen alle im Dunkeln, nur ein kleines Handylicht beleuchtet die Musiker. Und wir lauschen.

Wie magisch kann bitte so ein Abend sein?

Der zweite Musiker beginnt zu spielen, plötzlich setzt ein Sänger ein. Wow, Gänsehaut. Er singt mit tiefer Stimme, die Töne korrespondieren im hohen Rundgewölbe der Karawanserei wie in einer perfekt ausgefeilten Philharmonie. So könnte es stundenlang weitergehen. Tut es auch, immer wieder wechseln sich die jungen Männer ab, immer wieder lauschen wir den Instrumenten oder dem Gesang. Als ich später nach den Namen der Instrumente frage, erfahre ich auch gleich, dass Mohamad Javad Lotfi ein Gesangslehrer allererster Güte ist. In welches Paradies sind wir hier geraten?

Wir rücken einen Tisch näher, die beiden Frauen aus Teheran haben eine kleine Heizung am Tisch. Das tut uns gut. Wir plaudern in den Musikpausen, erfahren so viel über die jungen Leute im Iran. Selbstverständlich werden wir nach Teheran eingeladen.

Als sich die Musiker verabschieden, verlassen auch wir das kleine Café. Wenige Minuten später stehen wir im Innenhof der Karawanserei an zwei grossen Lagerfeuern und erleben den nächsten Zauber. Hier steht eine Gruppe junger Leute um das Feuer, eine Frau scheint für ihre Back- und Kochkünste bekannt zu sein. Was das genau bedeutet, erfahren wir schnell. Wir probieren Pralinen, Kuchen und Gemüse mit ihrem speziellen Dip. Jede Gruppe sollte einen Gourmet dabei haben, finden wir.

Wir erzählen kurz von der Musik der Männer, die uns verzaubert haben. Die Gruppe lächelt wissend, auch ihnen hat der Abend im Café gut gefallen. Und plötzlich beginnt Farnnaz zu singen. Das Feuer knistert leise und ganz ohne instrumentale Begleitung kommt aus dieser kleinen Frau eine Interpretation eines Adelle-Liedes, die uns die Tränen in die Augen treibt. Nicht, dass wir nicht schon Adelle-Fans wären. Aber in dieser Umgebung, Millionen von Sternen über uns am Nachthimmel, das Feuer spiegelt sich in Farnnaz’ Augen und ihre Stimme erfüllen die ganze Karawanserei und damit auch unsere Herzen!

Einfach wow!

Kurz vor Mitternacht bekommen wir dann noch eine kleine Einführung in die Sternenkunde, mit dem grossen Handteleskop schauen wir uns alle möglichen Sternbilder an. Welche, habe ich in der emotionalen Aufregung des Abends vergessen.

Als wir abends ins Bett fallen, versuchen wir dankbar darüber nachzudenken, was alles passieren kann, wenn man einfach nur einen Tee in einer Karawanserei trinken will. Und ganz ehrlich? Kannste dir nich ausdenken!

Quelle: https://en.wikipedia.org/wiki/Dayr-e_Gachin // https://www.instagram.com/deyregachin/
Sängerin am Feuer: https://www.instagram.com/farnnaz.s/

leben pur

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Merci fürs «Mitreisen»

Wir überlegen, im Sommer wieder eine Reisepause zu machen und unsere Familien in Deutschland und der Schweiz zu besuchen. Mit dabei ist eine Idee, einen Vortrag über unsere lange Reise bis an den persischen Golf vorzubereiten. Falls Ihr Lust hättet, was würde euch am meisten interessieren? Hier werden wir auch Geschichten erzählen, die hier auf dem Blog keinen Platz finden. Wir denken an den Raum Bern und Berlin – einfach, weil wir da Familie haben. Aber auch andere Orte wären vorstellbar. Schreibt uns gern.

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1 Kommentar
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Rachel
Rachel
2 Monate zuvor

Welch ein traumhaftes Glück ihr habt. 👍🍀
Dankeschön für’s teilhaben lassen. 😘

Und Gerd:
Da blutet das Fahrlehrerherz! 😂🤣
Nein.
Nicht in solchen Ländern.
Außerdem bin ich seit 1.2. in Rente und jetzt muss ich lernen, dass mir manch unsinnige Gesetze und Verkehrszeichen egal sein können. 😁😇

Gute Fahrt weiterhin! 🤗

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