Iran – Die Fährfahrt auf die Ferieninsel Qeshm

Iran – Die Fährfahrt auf die Ferieninsel Qeshm

Wen wir auch fragen, alle sind sich einig. Die Insel Qeshm muss man gesehen haben. Wenn wir hier im Iran jemandem von unserem Vorhaben erzählen, leuchten sofort die Augen vor Freude. Es scheint das Sehnsuchtsziel aller Iraner und Iranerinnen zu sein. Entweder haben sie schöne Erinnerungen an diese Insel oder sie wünschen sich nichts sehnlicher, als einmal hierherzukommen. Die Rede ist von wunderschöner Natur, kilometerlangen weissen Sandstränden, türkisblauem Wasser, Delfinen, Schildkröten, Sommerurlaubsfeeling und Shopping.

Letzteres verwirrt uns ein wenig, denn wir gehören nicht gerade zu den Shoppingfans. Aber soweit wir es verstanden haben, ist die Insel eine Freihandelszone und viele Produkte scheinen billiger zu sein als auf dem «Mainland», wie sie den Rest des Landes liebevoll nennen. Wir können es nicht kontrollieren, wir wissen nicht, wie teuer Steamer, Klimaanlagen und alle Arten von elektronischen Küchengeräten sind. Auch Parfums, Zigaretten und Kosmetika interessieren uns nicht, weder hier noch anderswo auf der Welt.

Also müssen wir uns wohl mit der schönen Natur begnügen – was für eine Freude!

Zuerst müssen wir mit der Fähre übersetzen. Leichter gesagt als getan. Denn eigentlich sind wir ja Fährprofis: Ticket kaufen, rauffahren und gut ist. Nicht so hier. Wegen der Freihandelszone müssen wir ein bisschen Papierkram erledigen. Also stapfe ich mit all unseren Papieren los und versuche, eine Inselgenehmigung zu bekommen.

(Wir haben festgestellt, dass ich als Frau sehr höflich und vielleicht etwas zuvorkommender behandelt werde. Deswegen übernehme oft ich diesen Part.)

Lächelnd und mit hilflosem Schulterzucken stehe ich vor dem Beamten. Er nickt, führt mich in eine Kabine, die aussieht wie ein Container, und dort werden mir die Pässe, die Visa und unser Carnet de Passage, unser «Pass für unseren Felix», abgenommen, um alles dreifach zu kopieren. Während ich auf meine Kopien warte, bekomme ich unverhofft Frühstück. Eine Dame rollt Fladenbot zu Sandwiches für die Herren im Büro und aus irgendeinem Grund bekomme ich auch eins in die Hand gedrückt.

Ob sie wohl weiss, dass es noch länger dauern wird und ich immer noch ohne Frühstück bin?

Gerd ist derweil in der Autoschlange vorgerückt, man teilt ihm mit, dass er lieber an den Rand fahren soll, bis ich fertig bin. Mit meinen Kopien werden wir nun gemeinsam in ein Büro gebracht, wo alles fein säuberlich sortiert, kontrolliert und abgeheftet wird. Unsere Papiere werden mit der Motornummer von Felix verglichen, wir gehen zu Büro Nummer zwei und drei. Mit abgestempelten Papieren werden wir wieder zu Büro Nummer eins gebracht.

Wir sind begeistert, mit welcher Freundlichkeit und vor allem Gelassenheit hier alles abläuft. Wir verstehen nichts von den Abläufen, lächeln, machen alles mit und werden wie so oft von allen sehr freundlich empfangen.

Während einer Wartepause kommt dann ein Trucker aus der Schlange vor uns, reicht uns noch ein Frühstück durch die Tür und wünscht uns viel Spass auf der schönsten aller Inseln.

Irgendwann haben wir alle Papiere beisammen, alles, was gestempelt werden muss, ist gestempelt. Man nickt uns freundlich zu und bittet uns, uns wieder in die Schlange einzureihen. Die nächste Fähre sei unsere.

Einen Fahrplan gibt es eigentlich nicht, die Fähre fährt, wenn sie voll ist. Das kommt uns entgegen, denn wir sind kurz vor der Urlaubszeit, es sind genug Autos und Lastwagen hier, die nächste Fähre sollte nicht lange auf sich warten lassen. So schieben wir uns Meter für Meter vorwärts, nur um kurz vor der Fähre, also wirklich einen Meter vorher, festzustellen, dass wir das Wichtigste vergessen haben: Wir haben gar kein Ticket!

Gerd schiebt sich nun langsam durch das Gedränge zurück, zur Seite, irgendwo. Es wird freundlich gehupt, wir werden von beiden Seiten überholt, und doch nimmt uns niemand unsere chaotische Rückwärtsfahrt übel. Wieder wird uns geholfen. Aus der Menge taucht ein junger Mann auf, nimmt Gerd mit und beide rasen auf einem alten Motorrad zurück zum Kassenhäuschen: Gerd kauft ein Ticket für uns und unseren Felix, beide rasen zurück und da unsere Fähre längst abgelegt hat, stehen wir nun in der Warteschlange für die nächste in der Pole Position.

Nach wenigen Minuten beginnt das Rennen um die Fähre. Warum wir, obwohl von der Pole gestartet, nur im Mittelfeld gelandet sind, kann nur jemand verstehen, der den Verkehr in Ländern wie Iran, Tunesien oder Italien kennt. Es geht nicht darum, ordentlich hochzukommen, sondern als Erster! Dabei wird völlig übersehen, dass Mann, und ich schreibe absichtlich Mann statt man, durch den ersten Platz beim Rauffahren auf den allerletzten Platz beim Runterfahren zurückfällt. Tja!

Auf der Fähre schliessen wir wieder neue Freundschaften, wohin, woher, das Übliche. Wir fallen mit unserem Wohnmobil schon ziemlich auf: Wir sind deutlich höher als alle anderen Autos und Transporter, wir haben ein Nummernschild mit lateinischen Buchstaben und: Unser «Nebelschwaden» Felix ist nicht weiss. Einfach in der Masse untertauchen funktioniert hier im Iran nicht so gut. Also machen wir das, was wohl das Klügste ist: Wir lächeln, grüssen, beantworten die vielen Fragen, machen die jungen Leute glücklich, wenn sie ihre mühsam gelernten englischen Sätze an uns üben können und stehen immer wieder für Fotos zur Verfügung.

Ach ja, die Insel: dazu später mehr. Und ich kann jetzt schon versprechen, dass es uns auf der Insel richtig gut gefallen wird und wir sie trotzdem irgendwann nach zwei Wochen etwas überstürzt verlassen werden.

Foto-Info: Natürlich gibt es keine Fotos von den ganzen «Grenzgeschehnissen», wir denken, das ist nicht erwünscht.

leben pur

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Merci fürs «Mitreisen»

Wir überlegen, im Sommer wieder eine Reisepause zu machen und unsere Familien in Deutschland und der Schweiz zu besuchen. Mit dabei ist eine Idee, einen Vortrag über unsere lange Reise bis an den persischen Golf vorzubereiten. Falls Ihr Lust hättet, was würde euch am meisten interessieren? Hier werden wir auch Geschichten erzählen, die hier auf dem Blog keinen Platz finden. Wir denken an den Raum Bern und Berlin – einfach, weil wir da Familie haben. Aber auch andere Orte wären vorstellbar. Schreibt uns gern.

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1 Kommentar
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Rachel
Rachel
30 Tage zuvor

Mama Mia……
Das klingt alles ziemlich chaotisch.
Aber auch spannend. 😉
Bin sehr gespannt wie’s weitergeht.

Herzliche Grüße aus dem Recht frischen Bayern vom Racheli

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