Iran – Wir gehören jetzt zur Familie

Iran – Wir gehören jetzt zur Familie

Zum Frühstück versammelt sich wieder die ganze Familie. Das Frühstück ist wie immer im Iran: gefaltetes A3-Luftpolsterbrot, Tomaten, Gurken, Spiegelei oder Omelette (hier immer mit Tomaten gemischt), etwas Frischkäse und ein paar Nüsse. Da der Koch der Familie eine Zeit lang in Belgien war, weiss er, dass wir bei uns auch süss frühstücken. So kommt eine Art Nutella (lecker, weil nicht so süss), selbstgemachte Marmelade und Honig auf den «Tisch». Gerd frühstückt normalerweise nicht, er müht sich mit ein bisschen Ei ab, ich kann derweil gut zmörgelen. So wird schon das zMorge eine richtig gemütliche Runde.

Die Herren verabschieden sich früh, sie gehen ins Gym. (Und ja, man sieht auch deutlich die Ergebnisse, wow!) Gerd geht in unseren Felix, das Homeoffice ruft. Und ich sitze mit den Frauen bei der frag-nicht-wievielten Tasse Tee. Mein Büro bleibt heute geschlossen, ich habe beschlossen, den Tag mit den Frauen zu verbringen. Diese Gelegenheit lasse ich mir nicht entgehen. Denn selten treffe ich auf Frauenrunden, wenn wir als Paar erscheinen.

Und so stricken und sticken wir, tauschen Rezepte aus, erzählen uns von unseren Kindern und beratschlagen, was wir den ganzen Tag machen könnten. Nur mit dem Unterschied, dass Nichtstun hier ein akzeptierter Tagesordnungspunkt ist. Sitzen, Tee trinken, Plaudern ist eine absolut ernstzunehmende Tagesbeschäftigung. (Plaudern heisst hier: google-translate, Satz für Satz)

Gegen Mittag kommt die Familie wieder zusammen, man hat auf unserer Website nachgeschaut und erfahren, dass wir uns für Geschichte interessieren. Also wird ein Ausflug zu einem alten – ja, wie soll ich es nennen – Haus geplant. Ein kleines Museum, das die alten Zeiten lebendig hält. Wir warten vor der Tür, sie wird extra für uns aufgeschlossen.

Wir schauen uns alle Räume an, dürfen auf die Mauer klettern, haben einen fantastischen Blick auf die Berge und Dattelpalmenoasen. Und das Beste: Alle sind irgendwie total interessiert, ständig werden Sachen von der Wand genommen (in einem Museum! Versuch das mal in der Schweiz!) und mir erklärt. Das ist dafür, jenes hierfür. Mega, ich komme mir vor wie in einem Mitmachmuseum.

Als wir wieder zu Hause sind, ist es auch Zeit für einen Mittagsschlaf. So ruhen wir uns alle aus, denn der Abend wird lang. Hier im Iran, wir vermuten, es liegt am Wetter, gibt es zwischen 2 und 5 Uhr eine lange Siesta. Gegen 5 wird es aber gleich wieder wuselig, der Jüngste, vielleicht 8 oder 9 Jahre alt, kommt mit seinem Roller (und ich meine wirklich Roller, also ein kleines Motorrad!) angefahren, strahlt mich an und ich frage ihn, ob er Fussball mag. Das tut er.

So kommt er in den Genuss eines unserer Fussbälle, er strahlt. Was wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen: Er spielt in einem Fussballverein und das sogar richtig gut. Volltreffer also, er ist glücklich. Als sein Papa dann den Ball sieht (und erkennt, dass es ein nagelneuer originaler Champions League Ball ist, wenn auch aus der vorletzten Saison), ist die Freude auch bei ihm riesengross. Denn Fussball ist wirklich ein grosses Thema im Iran.

Abends wird gekocht. Ich koche einen riesigen Topf Chili, aber ich habe keine Ahnung, ob das hier so gut ankommt. Gerd sagt dann: «Kein Problem, das können wir auch später alleine essen, Chili schmeckt am nächsten Tag sowieso besser». Doch aus dem Resteessen wird nichts, die Familie, die immer grösser und grösser wird, schafft unseren Riesentopf Chili locker. Und natürlich auch die vielen anderen Köstlichkeiten, die den «Teppich-Tisch» füllen. (Dass sie, während ich koche, immer wieder in unseren Felix kommen und staunen, wie man nun auch hier kochen kann, muss ich noch erwähnen. Ein Auto mit Kochherd, na sowas aber auch.)

Es wird ein lustiger Abend, wir kramen unser Hochzeitsalbum hervor. Und sehen wieder selbst einmal, wie jung wir damals waren. Fatemeh ist Makeup-Artist, ich frage sie, ob sie mir etwas Schönes ins Gesicht zaubern kann. Sofort fährt sie los, holt tütenweise Schminke und los geht’s: Ich werde verwandelt. Ich, die sich etwa einmal im Jahr so etwas wie Wimperntusche aufträgt, bekomme jetzt eine komplette Schicht ins Gesicht. Ich bin erstaunt, wie viel man auf ein einziges Gesicht auftragen kann. Die Familie ist sich einig: Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Ein Blick in Gerds Gesicht verrät mir allerdings, dass er das etwas anders sieht. Egal, mir hat es Spass gemacht und Fatemeh offensichtlich auch.

Und dann schaut Fatemeh in unser Hochzeitsalbum: Die Frauen sind ja gar nicht geschminkt! Äh, doch, sind sie. Nur anders. Also natürlicher. Betont, nicht verändert. Sie kann es gar nicht glauben, dass wir uns so wenig «in Schale werfen», wenn wir heiraten oder als Gäste zur Hochzeit kommen.

Tja, andere Länder, andere Sitten. Aber die Familie ist sich einig, dass wir eine tolle Hochzeit hatten. Vor allem die grüne Wiese, die vielen (echten) Blumen, die Feier im Garten mit Blick auf die schneebedeckten Schweizer Alpen und die strahlenden Menschen – «Was, nur 40 Gäste? Habt ihr eine so kleine Familie?» – zeugen von einer guten Feier und man ist sich einig, so werden wir eine gute Ehe führen.

Der Abend wird lang, sehr lang. Als wir irgendwann zwischen Mitternacht und 1 Uhr ins Bett fallen, ist das Wohnzimmer noch lange nicht leer. Aber wir können nicht mehr, so viele Eindrücke, so viele Gespräche, so viel Essen und so viel Herzlichkeit wollen auch verarbeitet werden.

Und morgen? Ja, morgen ist auch noch ein Tag!

leben pur

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Merci fürs «Mitreisen»

Wir überlegen, im Sommer wieder eine Reisepause zu machen und unsere Familien in Deutschland und der Schweiz zu besuchen. Mit dabei ist eine Idee, einen Vortrag über unsere lange Reise bis an den persischen Golf vorzubereiten. Falls Ihr Lust hättet, was würde euch am meisten interessieren? Hier werden wir auch Geschichten erzählen, die hier auf dem Blog keinen Platz finden. Wir denken an den Raum Bern und Berlin – einfach, weil wir da Familie haben. Aber auch andere Orte wären vorstellbar. Schreibt uns gern.

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