
Anstatt wie coole Surfer am Strand zu campen – unser Versuch ist ja jämmerlich gescheitert, siehe letzten Beitrag – sind wir nun auf der Suche nach einem besser befahrbaren Stellplatz. Sogleich finde ich einen, nur liegt dieser an einer viel befahrenen Hauptstrasse. Ausruhen und leise Nächte sind da wohl kaum möglich.
Also weiter. Links kurz ins Hinterland und schon muss unser Felix wieder über rumpelige Pisten steil bergauf schnaufen. Nur kurz, aber mir reicht es schon lange mit den Herausforderungen für heute. Oben angekommen, winken uns schon zwei uns bekannte Menschen zu: unsere Maroggo-Reise-Freunde (Insider, sorry). Diesmal haben wir uns nicht abgesprochen, aber der Geschmack für gute Stellplätze scheint uns zu einen.
Bei einem traumhaften Sonnenuntergang und einer noch besseren Tajine lassen wir den Abend gemeinsam ausklingen. Das Berbercamp, auf dessen Parkplatz wir stehen dürfen, hat uns von der ersten Minute an verzaubert. Viele bunte Kissen schmücken die unendlich vielen gemütlichen Sitzecken. Der Blick kann fast bis rüber ans Meer schweifen und die Katzen, die sich zu Schosskatzen mausern, übernehmen das grosse Wohlfühlmanagement. Sogar der Muezzin ruft am Morgen nur ganz leise.
Bei einem ausgiebigen «kleinen Frühstück» fragen wir nach dem grandios schmeckenden Mandel-Arganöl-Honigmus. Gleich hier nebenan, vielleicht eine halbe Stunde Fussweg entfernt, sei eine Kooperative, die dieses Mus herstellt. Gute Qualität und bester Preis, versichert uns unser Gastgeber.
Also stapfen wir los, kreuz und quer über Stock und Stein. Wanderwege, wie wir sie in der Schweiz kennen, gibt es hier nicht, aber so etwas wie schmale Pfade, an denen man mit scharfem Blick eventuell einen Weg ausmachen könnte. Mit viel gutem Willen, klar. Aber immerhin finden wir die Kooperative.
Das mit dem Arganöl ist ja so eine Sache. Viele schwören darauf, andere finden das Ganze überbewertet. In ganz Marokko erzählt man uns von den tollen Kosmetikprodukten aus Arganöl. Doch wir, die so gar keine Kosmetikprodukte verwenden, wüssten jetzt nicht einmal, was wir damit anfangen sollten. Oder zum Einnehmen bei irgendwelchen Wehwehchen? Die haben wir auch nicht so richtig. Also so richtig gute Kunden werden wir wohl nicht sein. So hoffen wir auf das Mandelmus. Davon wollen wir eimerweise kaufen.
Angekommen in der kleinen Kooperative lassen wir uns alles zeigen und informieren uns gleich noch ausführlich:
In den sonnenverwöhnten Landschaften Marokkos, besonders im Südwesten des Landes, wächst ein Baum, der seit Jahrhunderten für seine wertvollen Früchte geschätzt wird: der Arganbaum (Argania spinosa). Er trotzt der Hitze und Trockenheit des kargen Bodens und schenkt den Menschen das kostbare Arganöl.
Der Arganbaum ist nämlich ein Überlebenskünstler. Er wächst nur in einem begrenzten Gebiet Marokkos und kann mehrere Hundert Jahre alt werden. Seine tiefen Wurzeln schützen den Boden vor Erosion und machen ihn zu einem wichtigen Bestandteil des Ökosystems. In seinen knorrigen Ästen klettern manchmal Ziegen, die die nussartigen Früchte fressen – ein kurioses Bild, das uns oft fasziniert.
Die Erntezeit beginnt im Sommer, wenn die reifen Früchte zu Boden fallen. Das Sammeln und Verarbeiten der Argannüsse ist traditionell Frauensache. In mühevoller Handarbeit werden die harten Schalen aufgeschlagen, um die wertvollen Kerne freizulegen. Dieser Schritt ist entscheidend, denn kein maschineller Prozess kann die Präzision und Sorgfalt der erfahrenen Hände ersetzen.
Die Herstellung von Arganöl ist eng mit der Geschichte und Kultur der Berberfrauen verknüpft. In den letzten Jahrzehnten sind zahlreiche Frauenkooperativen entstanden, die ihnen nicht nur ein Einkommen, sondern auch mehr Selbstbestimmung ermöglichen. Durch ihre Arbeit bewahren sie ein jahrhundertealtes Handwerk und verbessern gleichzeitig ihre Lebensbedingungen. Viele dieser Kooperativen setzen auf nachhaltige Anbaumethoden und faire Handelsstrukturen, sodass auch kommende Generationen von diesem Naturwunder profitieren können.
So sind wir also mehr als zufrieden, dass wir ein ganzes Kilo Arganöl-Mandelmus kaufen und dieses wieder über Stock und Stein (wir hätten auch der Strasse folgen können, aber das kann ja jeder!) zurücktragen können. Unterwegs kommen wir an kleinen Dörfern vorbei, die mehr als verlassen aussehen, es aber nicht sind. Und irgendwann ist es auch wieder Zeit für einen gemütlichen Tee in einer der schönen sonnigen, jedoch heute etwas windigen Sitzecken unseres Berbercamps.
Den Abend verbringt Gerd mit unseren Freunden, ich muss kurzfristig die Moderation einer Online-Veranstaltung übernehmen. Unser Felix wird bei gut 70-80 Kilometern pro Stunde Wind durchgeschüttelt und wir gleich mit. Gegen Mitternacht beruhigt sich der Wind jedoch und am Morgen sind wir wunderbar ausgeschlafen, um uns nach einem köstlichen Berberfrühstück auf den Weg zu machen.
Wohin? Keine Ahnung. Aber wir müssen unbedingt Klopapier kaufen, unsere letzte Rolle vierlagiges neigt sich dem Ende zu. Ob es am guten Arganöl im Mandelmus und der doch so positiven Wirkung auf die Verdauung liegt? Wir werden es wohl nie erfahren.







































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