
Längerer Beitrag – schneller Überblick:
Wir schlendern durch die lebhafte Medina, die direkt vor unserer Haustür – oder besser gesagt, vor unserer Autotür – liegt. Die verwinkelten Gassen sind ein wahres Labyrinth, in dem Verlaufen zum Programm gehört. Doch das Beste daran ist: Irgendwann endet die Medina, und man kehrt einfach um. Früher oder später erkennen wir etwas Vertrautes und finden so wieder Orientierung. Im Notfall hilft auch Google Maps, das hier erstaunlich gut funktioniert.
Medersa Bou Inania
Plötzlich stehen wir vor der Bou Inania und erleben einen Moment der Stille – mitten im Chaos der Medina. Diese Medersa, eine Koranschule, ist die einzige in Marokko, die auch als vollwertige Moschee genutzt werden durfte, inklusive Gebetsruf vom eigenen Minarett. Die Bou Inania diente vor allem dem Studium der islamischen Theologie und Jurisprudenz, doch auch Philosophie, Grammatik und Astronomie standen auf dem Lehrplan. Es ist faszinierend, was damals als wichtig erachtet wurde im Gegensatz zu heute. Sie war zugleich Unterkunft, Schule und Ort des Gebets – ein spiritueller Mikrokosmos mitten in der lebendigen Altstadt von Fès.
Wir treten aus dem Trubel der Medina durch ein unscheinbares Tor und finden uns plötzlich in einem stillen, beinahe zeitlosen Raum wieder: dem Innenhof der Medersa Bou Inania. Die Marmorplatten unter unseren Füssen glänzen im Licht, in der Mitte liegt ein rechteckiges Wasserbecken, das die kunstvollen Fassaden um uns herum wie ein Spiegel einfängt.
Unser Blick wandert über die kunstvoll verzierten Wände: geschnitztes Zedernholz, filigraner Stuck und farbenfrohe Zellij-Mosaike in floralen und geometrischen Mustern. Jede Fläche wirkt durchdacht, voller Bedeutung – nichts scheint hier zufällig. Zwischen all den Ornamenten entdecken wir kalligraphische Inschriften: Verse aus dem Koran, die leise an die spirituelle Funktion dieses Ortes erinnern.
Wenig später betreten wir die Gebetshalle. Der Raum ist schlicht, ruhig, fast kühl. Irgendwie zurückhaltend. Der Kontrast zum üppigen Innenhof wirkt beruhigend. Schön, dass wir hier allein sind, denn dieser Ort verlangt nach Stille. Als wir wieder in den Innenhof treten, wundern wir uns, warum wir ganz allein sind: Der Muezzin ruft, und man hat uns noch rasch hineingelassen, nach uns kam niemand mehr. So sind wir für einen kurzen Moment ganz allein in diesem wunderschönen Ort. Wieder einmal ein Geschenk dieser Reise.
Als allerdings die Betenden eintreten, müssen auch wir den Ort verlassen und – wumms – schon sind wir wieder im lebhaften Treiben. An jeder Ecke wimmelt es von zuckergetränkten Süssigkeiten. Die Fastenzeit ist wohl jene im Jahr, in der am meisten Zucker konsumiert wird. Mir hängen die Teilchen schon zum Halse raus, so viele zuckersirup-triefende Backwaren kann selbst ein Süssmaul wie ich nicht in Massen essen. Und das will was heissen!












Gerbereien und Färbereien
So gelangen wir irgendwann zu einer der grössten Gerbereien und Färbereien der für ihre Lederarbeiten bekannten Stadt Fes. Sie gehören zu den ältesten ihrer Art und bieten einen Einblick in ein jahrhundertealtes Handwerk, das sich bis heute kaum verändert hat, wie man uns sagt.
Wir steigen eine enge Treppe hinauf, vorbei an Teppichen und Ledertaschen, und treten auf eine der Terrassen über den Gerbereien. Schon auf dem Weg dorthin ist es kompliziert: Natürlich werden wir auch hier von selbsternannten Guides abgefangen. Wer ist offiziell? Wer darf Eintritt nehmen? Keine Ahnung – und alles ist ziemlich verwirrend. Irgendwann gehen wir einfach mit.
Unser Begleiter reicht uns je einen Bund frischer Minze – die hält man sich später unter die Nase, denn der Geruch unten aus den Gruben ist tatsächlich kaum zu ertragen. Wir erklären gleich, dass wir nichts kaufen wollen und auch keine Verkaufsräume besichtigen möchten. Er akzeptiert – und hält sich später tatsächlich daran. Stattdessen erklärt er ausführlich und ruhig den Ablauf der Lederverarbeitung.
Unter uns liegt ein weites Feld aus runden Steinbecken. Männer stehen knietief in den Gruben, stampfen die Felle, wenden sie, arbeiten konzentriert. Zunächst, erfahren wir, werden die Tierhäute in einer Mischung aus Kalk, Wasser, Taubenkot und anderen natürlichen Mitteln gereinigt und weich gemacht – ein Prozess, der Geduld und Erfahrung erfordert. Dann kommen sie in die Farbbottiche, gefüllt mit natürlichen Farbstoffen: Safran für Gelb, Mohnblumen für Rot, Indigo für Blau, Minze für Grün. Die Farben sind kräftig, satt, und als die Sonne herauskommt auch leuchtend.
Das Leder aus Fès ist berühmt – wegen seiner Qualität und der handwerklichen Sorgfalt, mit der es hergestellt wird. Seit Jahrhunderten ist das so, und dennoch verändert sich etwas. Es gibt inzwischen Versuche, die Umweltbelastung zu reduzieren. Einige Arbeitsschritte wurden aus der Altstadt hinaus verlagert, andere werden angepasst. Für den Moment aber sehen wir ein Handwerk, das in seiner ursprünglichen Form überlebt hat – roh, anstrengend, aber beeindruckend.





Hammam
Nun sind wir müde. So viele Eindrücke, so viele Geräusche und Gerüche. Uns dürstet es nach Entspannung. Und ja, diesmal muss es ein Hammam sein. Einmal wollen wir es dann doch noch probieren.
Wir betreten den Empfangsbereich des Hammams und werden mittel-freundlich begrüsst. Unsere Strassenschuhe tauschen wir gegen Badeschlappen, dann geht es in die Umkleide. Ein viel zu kurzer Bademantel bedeckt das Wichtigste. (Irgendwie ist man hier nicht auf Personen um die 1,80 m eingestellt, wir sehen aus, als wenn wir Kinderbademäntel anhätten, zu kurze Ärmel, naja, der Rest ist auch definitiv für kleine Menschen gedacht.)
Alles ist ruhig, gedämpft, angenehm warm. Dann führt man uns in die warmen Dampfräume. Gerd in den Männerdampf, ich in den Frauendampf. Die feuchte Hitze schlägt uns sanft entgegen – die Brille beschlägt, ich sehe nun nichts mehr, ob mit oder ohne Brille. Ab jetzt heisst es vertrauen! Die Hitze legt sich auf Haut und Atem. Wir setzen uns auf die vorgewärmten Steinbänke, lassen die Wärme wirken.
Eine Mitarbeiterin kommt, reibt mich mit schwarzer Olivenölseife ein – Savon Beldi. Die Seife duftet nur ganz leicht, aber ich merke, wie sie die Haut weich macht. Nach einer kurzen Pause beginnt das Peeling. Mit einem rauen Handschuh – dem Kessa – wird die alte Haut abgerieben, kräftig, und leider auch sehr unangenehm. Später berichtet Gerd Ähnliches. Ich habe das Gefühl, dass meine Masseurin schon unter dem Fastenhunger leidet und all ihre grumpy-Stimmung an meinem Körper auslässt. Besonders die eher empfindlichen Teile werden geschrubbt und hin und her geschleudert. Dabei denke ich noch, hey, du bist doch auch eine Frau, du willst doch auch nicht, dass man so grob mit dir umgeht, oder?
Die Haut fühlt sich danach allerdings super glatt an, fast wie neu. Ich tappe nun zum Becken und bekomme hier etliche Ladungen warmes Wasser zum Abspülen über meinen Körper geschüttet. Haare waschen inklusive. Das wiederum gefällt mir super!
Nun kommen wir wieder zusammen, eingewickelt in ein Tuch ruhen wir im Ruheraum auf gemütlichen Sesseln. Den süssen Minztee vermissen wir, hier scheint es eher etwas nach Massenabfertigung auszusehen, aber naja, was soll’s. Sehen kann ich eh nichts, so träume ich mich in eine andere Welt.
Zum Abschluss entscheiden wir uns für eine Massage. In einem separaten Raum wird warmes Arganöl aufgetragen, die Massage ist kräftig und wunderbar – Gerd wird später tagelang jammern, seine Massage war eher sowas wie ein Marterpfahl – aber für mich wohltuend. Danach fühlen wir uns schwer und leicht zugleich – sauber, durchwärmt, entspannt.
Blitzeblank und auch entspannt bummeln wir jetzt durch die menschenleere Medina. Es ist Sonnenuntergang und Fastenbrechen-Zeit. Die Menschen sind zu Hause, alle Türen sind geschlossen. Und wir bummeln einsam durch verwinkelte Gassen bis zu unserem Felix und fallen todmüde in unser Nest.




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