
Mohsin verwöhnt uns mit einem herrlichen Frühstück, und natürlich wollen wir in der Sonne speisen. Hier scheinen wir mit unseren Wünschen immer allein zu sein. Man isst drinnen, im Schatten. Sonne hat man schliesslich genug. So erfahren wir auch, dass gutes Wetter für uns Sonne bedeutet, für die Menschen hier jedoch Bewölkung und Regen. Ja, so ist das: Was man hat, hat man, aber das Gegenteil will man. Hast du Locken, willst du glatte Haare, bist du gross, willst du lieber ein bisschen kleiner sein. Und hast du ständig Sonne, willst du Regen.
Also, wir wollen Sonne und bekommen sie. Wir plaudern noch ein bisschen mit Mohsin und machen unseren Felix reisefertig. (Der Versuch, den Sand komplett aus Felix zu bekommen zu lassen, scheitert grandios!) Schade, aber heute geht es wieder zurück in Richtung Marrakesch. Langsam zwar, aber eben zurück. Auch in Marokko hat eine Woche nur sieben Tage.
Wir rollen wieder durch die traumhafte Landschaft rötlich eingefärbter Berge, entlang sich schlängelnder Strassen und Palmen, so weit das Auge reicht. Klar, wir sind noch einmal im Draa-Tal.
Unterwegs versuchen wir, einen Inwi-Shop zu finden, um unser Internet aufzuladen, und landen schliesslich in einem kleinen (Zimmer-grossen) Supermärktchen. Bei unserer Diskussion um Gigabytes und Monatsabos übersehen wir fast, wie unsere Freundin in diesem kleinen Laden völlig beglückt ist: Waren wir doch noch nie mit ihr in diesen kleinen Geschäften. Bis hoch an die Decke sind Konserven gestapelt, die Gewürze, Datteln und Feigen liegen unverpackt in Schalen oder Körben. Die Eier werden in Plastiktütchen verpackt (nicht für uns, wir sind ja Profis und haben zwei Sechser-Eier-Kartons aus der Schweiz mitgebracht zum immer-wieder-Befüllen) und zwischen all dem Hin und Her lädt man unsere SIM-Karte auf. So geht das hier.
Wieder im Felix und um einen Monat Internet-Flatrate und eine Kette getrockneter Feigen reicher, müssen wir uns erst einmal das Gewusel abschütteln und zur Ruhe kommen. (Okay, ich hab noch ein Glas über-süsses Marokko-Nutella gekauft. Sowas Süsses habe ich noch nie gegessen.)
Wir kommen gut voran und überlegen, bis wohin wir heute noch fahren wollen. Am Ende gewinnt der Campingplatz in Agdz, wir sind dort schon bekannt, Regula kennt die harte Matratze. Also warum Neues probieren, wenn Altbekanntes funktioniert?













Zuvor denke ich mir jedoch noch einen Besuch in einer Kasbah aus. Die Kasbah des Caïd soll es sein. Schon bei der Parkplatzsuche sind wir uns sowas von uneinig: Ich las schon zuvor, dass man auf keinen Fall vorne an der Strasse parken soll, da würde ein selbsternannter «Guide» einen abfangen und ziemlich viel Geld verlangen. Man müsse da gar keinen Guide haben. Aber da Gerd nie vorher solche Sachen liest, hört er nicht auf mich und wir rasseln in die Guide-Falle. Ich bin sowas von genervt, von mir, von Gerd und nicht zuletzt von dem unfassbar nervigen Typen, der uns nun auch noch sagen will, wie wir auf dem rissigen Parkplatz stehen sollen. Es ist Platz für 20 Reisebusse und wir sind die einzigen Parkenden! Halleluja, meine Stimmung ist im Eimer, aber sowas von!
Bis zum Eingang der Kasbah plappert der Guide uns voll, mir fällt es für einmal wirklich schwer, freundlich zu bleiben. Und ich nutze einen Trick: Ich fange mit Gerd an lauthals zu streiten, das haben die Marokkaner gar nicht gern und lassen uns augenblicklich in Ruhe. Leider ist meine Stimmung dadurch nicht besser und Gerd ist jetzt auch genervt.
So laufen wir durch die Kasbah, zwischenzeitlich begleitet von einem weiteren Herren, der indessen unser Guide sein will. Ich laufe davon, mir doch egal. Ich bin grummelig und sauer und will jetzt gar nichts mehr wissen. Längst recherchiere ich im Internet, heute ist mir nicht nach Erzählstunde.
Dabei ist die Kasbah wirklich wunderschön:
Sie ist ein gutes Beispiel traditioneller Lehmbaukunst und ein Zeugnis der Geschichte der Region. Das rund 170 Jahre alte Bauwerk diente einst als Residenz des Caïd, des regionalen Oberhaupts, das im Auftrag des Sultans die Verwaltung und Rechtsprechung in dieser Gegend übernahm. Die Kasbah war nicht nur ein Wohnsitz, sondern auch ein Zentrum der Macht, in dem wichtige politische und wirtschaftliche Entscheidungen getroffen wurden.
Heute befindet sich die Kasbah im Besitz seiner Nachfahren, die das historische Gebäude der Öffentlichkeit zugänglich gemacht haben. Im Inneren erwartet uns ein verwinkeltes Labyrinth aus Räumen, das sich über drei Etagen erstreckt. Die Architektur der Kasbah ist typisch für die Bauweise des südlichen Marokkos: Die dicken Lehmwände sorgen für ein angenehmes Raumklima (heisst: wir frieren und holen uns gleich nochmal Strickjacken) und bieten Schutz vor der intensiven Sonne des Draa-Tals.
Das Spiel von Licht und Schatten, das durch kleine Fensteröffnungen fällt, erzeugt eine schöne Atmosphäre. Besonders lieben wir die Ausblicke vom Dach der Kasbah, die einen grandiosen Blick auf die riesigen umliegenden Oasen ermöglichen. Früher – so lese ich – bot die erhöhte Lage zudem einen strategischen Vorteil, da Angriffe frühzeitig erkannt und abgewehrt werden konnten. Heute sind die Angriffe eher mentaler Natur: wenn ich mir selbst im Weg stehe und grummelig bin.
Doch die Kasbah spiegelt die traditionelle Bauweise und Lebensweise der Region wider. Neben den Wohnräumen gab es Vorratskammern, Stallungen und Empfangsräume für Gäste und Gesandte. Die kunstvollen Verzierungen an den Wänden und Decken zeugen von der einstigen Bedeutung dieses Ortes. Ich habe gleich neue Strickmuster im Kopf.
Zudem befindet sich auch ein kleines Museum im Gebäude, das jedoch ist nun wirklich selbsterklärend: Lehmstein-Presse, Webstuhl, Musikinstrumente.
Wenngleich ich genervt bin, ist der Besuch dann doch ganz wunderbar gewesen: beglückt und wieder beruhigt fahren wir zu unserem Camping. Morgen ist ja auch wieder ein Tag. Und den könnte ich ja mit guter Laune starten. Oder?





















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