Nachhaltigkeit & Klimaschutz – Warum sind die Gletscher so wichtig?

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Wer uns kennt, weiss, dass wir beim Thema Klima- und Umweltschutz wirklich überall unsere Augen und Ohren offen halten. Wir können zwar nicht die Welt retten, aber vielleicht ein bisschen dazu beitragen, dass sich diese Erde, die wir so gerne bereisen, etwas langsamer erwärmt. Und damit auch für die Generationen nach uns lebenswert bleibt.

Es geht zum einen um die Artenvielfalt, die uns langsam verloren geht. Biodiversität nennt man das. Dann geht es um die Temperaturen und den Wasserhaushalt. Ach, und um so vieles mehr.

Während unseres Urlaubs in Graubünden haben wir verschiedene Ausstellungen zum Thema Gletscher, Gletscherschmelze und Wasserhaushalt besucht. Ich war überrascht, wie gut und vor allem kritisch-reflektiert wir dort informiert wurden.

02. oktober 2021 3

Rückblick

Ich erinnere mich noch gut an den 1. August 2008, meinen ersten Schweizer Geburtstag in den Bergen. Der Sustengletscher, der eigentlich Steingletscher heisst, war deutlich sichtbar und kam nicht mehr ganz herunter bis zum Bauernhof, wo wir gemütlich brunchten, auf Bänken sassen und der Ländlermusik lauschten.

Dieses Jahr, 15 Jahre später, dümpelt der Steingletscher nur noch weit oben in der Nähe des Gipfels, er zieht sich Jahr für Jahr um einige Meter zurück. Während ich mit unserer Tochter telefoniere, sagt sie: «Gletscher werden meine Kinder wohl nicht mehr erleben. Oder, Mama?» Traurig muss ich nicken oder zumindest zugeben, dass es so sein wird.

Artenvielfalt

Die Alpen beherbergen sehr viele verschiedene Pflanzen. Etwa 8 Prozent davon sind speziell an das Leben im Hochgebirge angepasst. Doch was passiert mit diesen Pflanzen, wenn sich das Klima ändert?

Ein Beispiel ist der 3410 Meter hohe Piz Linard bei Zernez. Im Jahr 1835 gab es dort oben nur eine einzige Pflanzenart, den Alpen-Mannsschild. Bis in die 1990er Jahre kamen neun weitere Arten hinzu. Seit 1990 sind es sogar 16 Arten. Aber nicht nur am Piz Linard. Forscher:innen haben herausgefunden, dass die Zahl der Pflanzenarten auf den Berggipfeln der Alpen in den letzten 100 Jahren um 41 Prozent zugenommen hat.

Das klingt erst einmal gut. Aber es gibt auch ein Problem. Denn jetzt kommen auch Pflanzen in die Berge, die sonst überall vorkommen, zum Beispiel der Löwenzahn. Diese neuen Pflanzen nehmen den speziellen Hochgebirgspflanzen den Platz weg. Und weil es mit jedem Meter Höhe weniger Platz für Pflanzen gibt, haben die Hochgebirgspflanzen immer weniger Platz zum Leben. Sie werden zurückgedrängt und könnten irgendwann ganz verschwinden. Dann gäbe es auch die besonderen Pflanzen nicht mehr, die nur im Hochgebirge leben.

Details inkl. weiterführender Links zum Projekt «Gipfelflora»: https://www.wsl.ch/de/projekte/gipfelflora.html

Die Alpen sind Europas Wasserschloss

«Die Alpen sind das Wasserschloss Europas» ist eine Metapher, die die Bedeutung der Alpen als eine der wichtigsten Wasserquellen Europas erklären will. In den Alpen gibt es viele Flüsse und Seen und es fällt viel Schnee und Regen. Ausserdem speichern die Gletscher in den Alpen grosse Wassermengen, die in trockenen Perioden abfliessen und so für eine gleichmässige Wasserversorgung sorgen.

Die Flüsse, die in den Alpen entspringen, wie Rhein, Rhone, Donau und Po, fliessen in viele Teile Europas und versorgen viele Menschen und landwirtschaftliche Flächen mit Wasser. Daher wird diese Gebirgskette oft als «Wasserschloss Europas» bezeichnet.

Kleiner Fun-Fact am Rande: Auch «unsere» Aare entspringt den Alpen und vereint sich irgendwo dann mit dem Rhein. Zitat Jungfrau-Zeitung: «Es gibt eine Regel, nach der ein Fluss bei der Einmündung in einen anderen immer nach dem wasserreicheren, dem Hauptfluss, benannt wird. Der Rhein sollte also eigentlich Aare heissen, da sie beim Zusammenfluss mit dem Rhein bei Koblenz 50 Prozent mehr Wasser führt. Dies hätte zahlreiche Auswirkungen auf viele Ortsbezeichnungen wie etwa Weil an der Aare, Aareland-Pfalz oder Nordaare-Westfalen.»

Gletscher können grosse Mengen Wasser speichern, weil sie eigentlich aus gefrorenem Wasser bestehen. Sie entstehen, wenn im Winter Schnee fällt, der im Sommer nicht vollständig schmilzt. Über viele Jahre hinweg sammelt sich der Schnee an und wird durch sein eigenes Gewicht zu Eis gepresst.

Ein grosser Teil des in den Gletschern gespeicherten Wassers ist in dieser festen, eisigen Form eingeschlossen. Wird das Klima wärmer, schmelzen die Gletscher und geben das gespeicherte Wasser frei, das dann in Bächen und Flüssen zu Tal fliesst. Auf diese Weise versorgen Gletscher viele Regionen der Erde mit frischem Wasser.

Gletscher spielen somit eine entscheidende Rolle in der Wasserversorgung, da sie in kalten Perioden Wasser speichern und es in wärmeren Perioden, in denen Wasser oft knapp ist, wieder abgeben.

Hier ein unterhaltsames zweieinhalbminütiges Video über das sogenannte Wasserschloss: https://www.youtube.com/watch?v=AnEHRRVaBuw&t=3s

Was passiert, wenn die Gletscher in den Alpen schmelzen?

Berechnungen zeigen, dass die Gletscher in den Alpen stark schmelzen könnten. Bis zum Ende dieses Jahrhunderts könnten die meisten Gletscher unterhalb von 3500 Metern verschwunden sein, wenn sich die Erde weiter erwärmt. Selbst bei gleichbleibendem Klima könnte mehr als die Hälfte des Eises verloren gehen. Gletscher sind wichtig, weil sie im Sommer Wasser in die Flüsse führen. Im Hitzesommer 2003 haben wir gesehen, dass Bäche ohne Gletscher fast ausgetrocknet sind.

Gletscherschmelze in der Schweiz

In der Schweiz schmelzen die Gletscher schon lange. Seit 1850 ist die Hälfte des Eises verschwunden. Weil es wärmer wird, schmelzen die Gletscher im Sommer schneller und es regnet mehr statt zu schneien.

Wenn das Klima so bleibt wie heute, werden die Gletscher in den nächsten Jahrzehnten nochmals die Hälfte ihres Eises verlieren. Doch die Experten erwarten, dass es bis 2085 um drei Grad wärmer wird. Das wird die Gletscher stark schmelzen lassen: Bis 2100 könnten nur noch 20 bis 30 Prozent des Eises übrig sein, vor allem im Rhonetal, wo sich der grösste Gletscher der Schweiz, der Aletschgletscher, befindet.

Weniger Schnee

Heute stammen 40 Prozent des Wassers in der Schweiz aus der Schneeschmelze. Durch den Klimawandel könnte dieser Anteil bis 2085 auf 25 Prozent sinken, weil es weniger schneit. Dadurch fliesst das Wasser schneller ab. Schon heute können wir beobachten, dass die Hochwasser im Frühling früher kommen und nicht mehr so hoch sind.

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Dichtewerte verschiedener Schnee- und Eisarten

Neuschnee 50–70 kg/m3
Nasser Neuschnee 100–200 kg/m3
Altschnee 200–300 kg/m3
Schwimmschnee 350–400 kg/m3
Firn 400–830 kg/m3
Schneematsch 700–800 kg/m3
Gletschereis 800–910 kg/m3

Also ganz klar: Gletschereis hat es in sich!

Rund um die Diavolezza

Forschende haben herausgefunden, dass eine permanente Schneedecke von 0,8 km² auf dem Morteratschgletscher den Gletscherschwund deutlich verlangsamen könnte. Dies könnte innerhalb von 10 bis 15 Jahren erreicht werden. Das vom Gletscher abfliessende Schmelzwasser wird aufgefangen und dem Gletscher als Schnee wieder zugeführt. Dieser Prozess wird als «Schmelzwasser-Recycling» bezeichnet.

Seit 2015 erforscht ein Team von Wissenschaftlern intensiv, wie sich eine dauerhafte Schneebedeckung auf Gletscher auswirkt. In zahlreichen Studien und Feldversuchen konnten sie zeigen, dass unter den heutigen Klimabedingungen sogar ein Gletscherwachstum innerhalb von 10 Jahren möglich wäre. Voraussetzung dafür wäre, dass 10 % der Gletscherfläche dauerhaft mit Schnee bedeckt sind.

In den letzten 170 Jahren ist der Morteratschgletscher um 3 Kilometer zurückgegangen, im Durchschnitt um 44 Meter pro Jahr. Eine geschlossene Schneedecke im Sommer könnte diesen Prozess umkehren. Diese Schneedecke reflektiert das Sonnenlicht und schützt so den Gletscher. Diese Schutzmassnahme heisst «MortAlive» und ist Teil einer Ausstellung am Fusse der Diavolezza.

Unter den derzeitigen Klimabedingungen könnte der Gletscher innerhalb von zehn Jahren wieder wachsen, vorausgesetzt, ein Grossteil seiner Fläche bleibt dauerhaft mit Schnee bedeckt. Selbst bei steigenden Temperaturen könnte MortAlive den Schmelzprozess des Gletschers verlangsamen. Mehr zum Thema auf mortalive.ch.

Die Ausstellung zeigt mögliche Entwicklungen des Gletschers.

Alle möglichen Szenarien zeigen, dass der Gletscher von 1875 bis 2020 geschrumpft ist. In diesem Zeitraum ist die Temperatur im Engadin um fast 2°C gestiegen. Für die Zukunft (2020 bis 2100) gibt es verschiedene Möglichkeiten:

A // Wenn die Welt hart arbeitet und die CO₂-Emissionen stark reduziert, könnte der Temperaturanstieg im Engadin auf 1–2 °C begrenzt werden.
B // Wenn sich die Atmosphäre weiter erwärmt wie bisher und die CO₂-Emissionen nicht reduziert werden, könnte die Temperatur um weitere 4–6 °C ansteigen.
C // Wenn der Ausstoss von Treibhausgasen etwas reduziert, aber nicht ganz gestoppt wird, könnte die Temperatur um weitere 2–3 °C ansteigen.
D // Wenn die Temperatur um weitere 2–3 °C ansteigt und die Gletscherzunge künstlich beschneit wird.

Diese Szenarien basieren auf der maximal möglichen Wassermenge, die tatsächlich vorhanden sein könnte.

Ausserdem gibt es fantastische 3D-animierte Informations-Session, die wirklich eindrücklich ist und uns als Tech-Nerds noch einmal mehr beeindruckt! Die Ausstellung ist am Fusse der Diavolezza-Gondel-Bahn und ist gratis. Ein kurzer Stopp lohnt wirklich!

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Was können wir also tun?

Es gibt viele Möglichkeiten, wie wir durch unser Handeln etwas bewirken können:

Reduzierung der Treibhausgasemissionen: Dies ist der direkteste Weg, die globale Erwärmung zu bekämpfen. Treibhausgase entstehen vor allem bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe wie Kohle, Öl und Erdgas. Wir können die Emissionen reduzieren, indem wir erneuerbare Energien nutzen, Energie effizienter einsetzen und Bäume pflanzen, die CO₂ aus der Atmosphäre binden. Es gäbe da noch tausende Ideen, wirklich!

Ernährung: Auch eine Ernährungsumstellung kann viel bewirken. Eine pflanzenbasierte Ernährung erzeugt in der Regel weniger Treibhausgase als eine Ernährung mit viel Fleisch und tierischen Produkten incl. Eiern und Milchprodukten.

Nachhaltige Mobilität: Auto- und Flugverkehr gehören zu den Hauptverursachern von Treibhausgasemissionen. Die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel, des Fahrrads oder zu Fuss gehen statt mit dem Auto können dazu beitragen, diese Emissionen zu reduzieren. Unser Ziel, unsere Jahres-Kilometer-Laufleistung auf 2/3 der Vorjahre zu reduzieren, steht noch. Wir hoffen, wir können es einhalten.

Energieeffizienz: Durch energieeffizientes Wohnen und Arbeiten kann der Energieverbrauch gesenkt werden. Dazu gehören Massnahmen wie die Dämmung von Gebäuden, der Einsatz energiesparender Geräte und das Ausschalten von Geräten, wenn sie nicht gebraucht werden.

Bildung und Aufklärung: Je mehr Menschen über die Ursachen und Auswirkungen der Erderwärmung wissen, desto grösser ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie Massnahmen dagegen ergreifen.

Politische Massnahmen: Auf politischer Ebene ist es wichtig, Gesetze zu erlassen, die den Ausstoss von Treibhausgasen begrenzen und Anreize für erneuerbare Energien und Energieeffizienz schaffen. Hier können wir «richtig» wählen oder Petitionen unterschreiben. Auch im Kontakt mit Politiker:innen ist einiges möglich.

Wer sich zu einem oder mehreren Punkten berufen fühlt: Bitte dranbleiben! Und danke dafür!

Quellen, alle abgerufen am 2.8.2023

https://www.unifr.ch/geo/cryosphere/en/

https://www.oxfam.de/unsere-arbeit/themen/klima-ressourcen-schuetzen

https://www.unifr.ch/durabilite/de/news/news/28136/?utm_source=news&utm_medium=&utm_campaign=redirection_from_homehttp%3A%2F%2Fwww.unifr.ch%2Fdurabilite%2Fde%2F

https://www.unifr.ch/news/de/20852

https://gletscherg2h.wordpress.com/gletscheralswasserversorgung/

https://mortalive.ch/wissenschaft

https://www.raonline.ch/pages/edu/nat/glacier02b000.html

https://www.swisseduc.ch/glaciers/earth_icy_planet/glaciers04-de.html

https://de.wikipedia.org/wiki/Steingletscher

https://www.wsl.ch/de/projekte/gipfelflora.html


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Im Fokus steht bei uns die Freude am Vanlife und die vielen Möglichkeiten. Die überall übliche Weltuntergangs- und Verzichtskommunikation wollen wir vermeiden.

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