Österreich – Der erste Tag in Wien

Auf unserem Kuschelcampingplatz direkt an der Donau (das heisst, dass wir wirklich wie auf einem normalen Parkplatz Camper neben Camper stehen) schlafen wir erst einmal richtig aus. Die vergangenen Tage und Wochen waren intensiv. Intensiv und wirklich schön.

Beim Frühstück lassen wir unsere Reise in die Slowakei noch einmal Revue passieren und wissen: ein tolles Land. Viel Natur, ruhige Menschen und jede Menge wirklich schöne Dinge zu sehen.

Aber jetzt Wien: Beim Blick in den Wien-Reiseführer (wir leihen uns die meisten Reiseführer in der Onleihe, der digitalen Bibliothek, aus) stehe ich wie der Ochs vorm neuen Tor. Viel zu viel und ich habe keine Ahnung, was wir uns anschauen sollen. Also überlasse ich Gerd auch diesmal wieder die Aufgabe des Reiseführers. Er findet die richtige U-Bahn-Verbindung, entscheidet sich für einen langen Spaziergang mit dem Ziel, den Tag in der Wiener Innenstadt ausklingen zu lassen. Am Abend haben wir weit über 25 000 Schritte auf der Uhr. Jeder!

Auf dem Weg in die Stadt frage ich meinen Reiseleiter, was denn heute die Ziele seien. «Wiener Schnitzel» und «Sachertorte» sprudeln ohne langes Überlegen aus ihm heraus. Aha. Das wird heute eher ein kulinarischer als ein kultureller Tag, denke ich mir.

Aber ich werde mich irren. Kaum aus der U-Bahn ausgestiegen, bezaubert uns die Votivkirche, einer der bedeutendsten neugotischen Sakralbauten der Welt. Der Bau der Wiener Votivkirche begann um 1866 und dauerte 23 Jahre. Der Prager Baumeister Joseph Kranner wählte für den Bau einen besonders harten Kalkstein. Und wieder staunen wir: Wie hat man es damals geschafft, so pompöse, riesige und gleichzeitig so filigran wirkende Bauwerke mit so vielen Verzierungen zu schaffen? Wer leistet sich heute noch so schöne und aufwendige Bauten? Ja, der Zeitgeist ist ein anderer. Und doch merken wir: Es ist schön, dass diese vielen alten Gebäude so gut erhalten sind. Wir jedenfalls erfreuen uns an den Bauten. Und, das wird in Wien deutlich: Es gibt viele davon!

Wir schlendern am Rathaus, an der Oper und vielen anderen wirklich beeindruckenden Gebäuden vorbei. Die Stadt ist voll, alle nutzen die schönen, sonnigen Herbsttage für einen Städtetrip. Uns, die wir mal wieder keine Ahnung haben, wann wo Ferien sind, fällt auf, dass vor allem die Deutschen das lange Wochenende um den 3. Oktober nutzen, um sich hier mit uns durch die Gassen zu schieben.

Wir beschliessen, heute auf die Museen zu verzichten, denn auch hier ist alles proppevoll, die Schlangen sind riesig. Nach Wochen der Leere in der Slowakei für uns so etwas wie ein menschlicher Overflow. Oder wie unser Sohn sagen würde: Mega-Socializing, nix für mich!

Also versuchen wir, uns in eines der Cafés zu setzen und dem Treiben einfach zuzuschauen. Leider bekommen wir keinen Platz und wenn, dann werden wir nicht bedient, weil die Bestellsoftware für die Kellnerinnen im Café ausgefallen ist. Vor dem Hotel Sacher dann eine Schlange mit einer zu erwartenden Wartezeit von einer Stunde. Ich fühle mich ein wenig an meine Kindheit in Berlin vor dem «Goldbroiler» erinnert.

Aber wir werden fündig, irgendwann sitzen wir in einem Café, kommen runter und merken: Wien ist wunderschön. Allein die vielen schönen Gebäude erfreuen uns. Aber so viele Menschen – nein, nichts für uns. Eine stille Frage schleicht sich ein: «Werden wir schrullig, weil wir zu oft und zu lange nur zu zweit sind und das so geniessen?»

Auf dem Weg durch die Altstadt führt mich mein Reiseleiter zum Stephansdom. Den wollen wir uns unbedingt anschauen. (Ich muss zugeben, dass mir Wien schon vor vielen Jahren so gut gefallen hat, dass ich diesmal einfach alles mitmache, was Gerd vorschlägt. Schliesslich ist er zum ersten Mal hier). Hier rund um die Dom- und Metropolitankirche zu St. Stephan und allen Heiligen, wie der Stephansdom «in echt» heisst, ist neben der heiligen Energie vor allem die Touristen-Kauf-Mich-Energie zu spüren. Hier ein bisschen Tinnef, dort viel Zeug. Der Eintritt in den Dom ist ziemlich heftig und ich habe eine Idee.

Seit ein paar Tagen schaue ich, ob es in den Städten, die wir besuchen wollen, klassische Konzerte, Opern oder Operetten gibt, die uns gefallen könnten und ob es noch Karten gibt. Wirklich fündig werde ich nicht, denn meistens sind die Karten schon Wochen im Voraus ausverkauft. Tja, wer ohne Plan reist, muss wohl damit leben.

Aber unser Glücksengel reist ja bekanntlich mit uns: Heute Abend, ja, genau heute Abend, gibt es ein Streichkonzert im Stephansdom. Vivaldis «Vier Jahreszeiten». Und: Es gibt noch Karten. Statt also eine Eintrittskarte für den Dom zu kaufen, buchen wir schnell online zwei Karten in einer der ersten Reihen. Es ist vier Uhr nachmittags, wir sind hundemüde, die Füsse brennen vom Stadtspaziergang und wir beschliessen: Rein in die U-Bahn, ein, zwei Stunden Siesta im Felix, um fit zu sein für den abendlichen Stadtbummel mit Konzertfinale.

leben pur

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Gesagt, getan: Ausgeschlafen sitzen wir später zum dritten Mal in der U-Bahn, diesmal etwas hübscher, aber auch wärmer angezogen. Schliesslich gehen wir in ein Konzert. Und in eine Kirche. Und in Kirchen friert man bekanntlich.

Die Atmosphäre und die Innenstadt sind ganz anders, wir sind begeistert. Die ganze Stadt leuchtet, ja man kann sagen, sie glitzert. Viele Strassenmusiker:innen lassen uns nahezu durch die Gassen schwingen. Vor dem Dom steht ein Flügel, der von den umstehenden Wien-Gästen abwechselnd benutzt wird und wir erleben eine knappe Stunde eine bunt gemischte Musik. Hier Rock, dort Klassik. Nach ein, zwei Stücken wechseln die Pianist:innen. Das Publikum ist begeistert, wir strahlen. Stehen Arm in Arm und können unser Glück kaum fassen. Musik verbindet. Und ja, Musik macht auch glücklich.

Irgendwann müssen wir uns vom Flügel losreissen, denn das Konzert im Dom beginnt. Wir sind viel zu früh da, aber nicht ohne Grund: wollen wir neben dem Konzert auch noch den Dom anschauen. Hach, wie schön!

Während wir also auf unseren Plätzen sitzen und warten, lese ich ein wenig über den Dom. Und es gibt viel zu erfahren. Aber eines steht nirgendwo geschrieben: dass die Fussbodenheizung das Gebäude gerne mal in eine Sauna verwandelt. Schicht um Schicht ziehen wir unsere warmen Kleider aus, ringsherum das gleiche Verhalten. Und wir fragen uns, ob wir nachher alle nackt hier sitzen und jemand mit einem Aufguss kommt.

Die Vier Jahreszeiten sind einfach toll. Die Kulisse ist traumhaft und es ist fast zu schade, die Augen zu schliessen und in der Musik zu versinken. Wir tauchen richtig ein und später, in der U-Bahn, wird Gerd zu mir sagen, dass das wohl ein schöner Abschluss in die Welt der k. u. k., oder wie er jetzt gelernt hat, der Kaiserlich und königlichen österreichisch-ungarischen Monarchie gewesen sei.

Das «k» im ersten «k. u. k.» bedeutet «kaiserlich» und bezieht sich auf den Titel Kaiser von Österreich. Das «k» im zweiten «k. u. k.» bedeutet «königlich» und bezieht sich auf den Titel Apostolischer König von Ungarn. Beide Titel trugen Monarchen aus dem Haus Habsburg-Lothringen.

So laufen wir glücklich und auch beschwingt durch das nächtliche Wien nach Hause zu unserem Kuschel-Campingplatz. Und was Gerd nicht ahnt: Morgen gibt es noch einmal eine volle Ladung k. u. k.!

leben pur

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Merci fürs «Mitreisen»

Wir überlegen, im Sommer wieder eine Reisepause zu machen und unsere Familien in Deutschland und der Schweiz zu besuchen. Mit dabei ist eine Idee, einen Vortrag über unsere lange Reise bis an den persischen Golf vorzubereiten. Falls Ihr Lust hättet, was würde euch am meisten interessieren? Hier werden wir auch Geschichten erzählen, die hier auf dem Blog keinen Platz finden. Wir denken an den Raum Bern und Berlin – einfach, weil wir da Familie haben. Aber auch andere Orte wären vorstellbar. Schreibt uns gern.

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2 Kommentare
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Rachel
Rachel
4 Monate zuvor

Nein, ihr werdet nicht schrullig!
Es ist einfach so, dass einem mit der Zeit die Menschen zuviel werden.
Geht mir ähnlich.
Ich habe auch schon gedacht, ohje…..alte Schrapnelle ….😂🤣
Aber wenn ich ehrlich sein soll, bin ich inzwischen sehr gern unter wenig bis gar keinen Menschen. 🤷
Weiterhin gute Reise.
s’Racheli

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