Schweiz – Die Diavolezza und die Gletscher

Schweiz – Die Diavolezza und die Gletscher

Was für eine stürmische Nacht. Gewitter, Donner und Blitze, die unseren Felix taghell erleuchteten. Der Regen prasselte aufs Dach, der Wind rüttelte zaghaft an unseren dreieinhalb Tonnen. Meine mitternächtlichen Gedanken schweiften derweil schon zum nächsten Tag. Ich hatte uns etwas ganz Besonderes geplant, aber unser Ausflug zu den Gletschern schien buchstäblich ins Wasser zu fallen.

Irgendwann beruhigte sich Petrus (ist der eigentlich noch für das Wetter zuständig?) und wir erwachten am Morgen in völliger Ruhe. Regula öffnete das Fenster und die Sonne schien auf die Berge und färbte den Himmel blau.

«Was ist denn jetzt los?» «Ich dachte auch, es würde den ganzen Tag regnen.» Wieder einmal sassen wir einem grossen Bären auf, dem Meteobären!

Nach zwei – oder waren es drei? – Sekunden des Überlegens war klar: Wir fahren hoch, nehmen die erste Gondel und geniessen so lange wie möglich die Sonne! So schnell waren wir noch nie angezogen und wanderbereit. Sicherheitshalber kontrollierte ich noch einmal die Temperatur oben auf dem Berg: 2° Celsius. Schnell kramte ich noch lange Unterhosen, Schal, Mütze, Handschuhe und zwei kuschelig warme Pullover und Jacken aus den hinteren Reihen – den sogenannten Winterreihen – in Felix’ Schrank.

Wer auf dem Stellplatz Diavolezza übernachtet (im Winter ist das wohl der Parkplatz für die Wintersportler), hat pro Person ein Gondelticket hin und zurück inklusive. Das liessen wir uns natürlich nicht entgehen und waren schon früh morgens oben auf dem Berg.

Ausser einer kleinen Truppe von 5 Gletscherkundlern waren wir ganz alleine. Anscheinend haben viele der Wettervorhersage geglaubt. Gut für uns. So standen wir vor den beiden Gletschern: dem Pers- und dem Palügletscher. Vor uns der Piz Palü (ich liebe diesen Namen schon wegen des Klangs!), der Piz Bernina und noch einige andere Pizza. (Piz ist übrigens das rätoromanische Wort für Gipfel.)

So übermannt uns die Energie hier oben. Anders kann ich es nicht beschreiben, wir liegen uns wieder einmal vor Freude in den Armen, sind voll tiefer Dankbarkeit für die Möglichkeiten, die uns das Leben bietet.

Beim Aufstieg zum nächsten kleinen Gipfel merke ich, wie sich die 3000 Meter Höhe bemerkbar machen, mein Atem wird kürzer, ich keuche. Auch wenn seit Jahren «Schweizerin» in meinem Pass steht, lässt sich meine Herkunft aus dem Berliner Flachland nicht immer verbergen. Meine Berg-Gämseli-Freundin wandert ein Stündchen allein, ich suche mir ein sonniges Plätzchen auf der Terrasse des Berghauses. Und: korrigiere die ersten Kapitel unseres Buches. Ja, es dauert länger als gedacht. Aber dafür geniesse ich die Zeit hier in der Heimat in vollen Zügen. Prioritäten-Management. Energielevel, Familie, Freunde & Natur: Prio 1. Alles andere: irgendwo dahinter.

So sitze ich hier oben und denke über alles nach, was ich schon über Gletscherschmelze, Umweltverschmutzung, Klimawandel und ressourcenschonendes Leben gelesen habe. Vielleicht schreibe ich dazu – weil ich hier wirklich viel darüber gelesen habe – mal einen eigenen Beitrag.

Nur so viel: Was hier oben (und in fast allen Wintersportorten der Welt!) an Schneezirkus betrieben wird, erscheint mir weder naturverträglich noch ressourcenschonend. Da wird im Sommer der Schnee auf den Pisten mit einem Vlies (Material?) abgedeckt, damit im Winter die Skisaison früher beginnen kann. Schneekanonen stehen bereit, ab Herbst wird künstlich hergestellter Schnee geblasen. Es gibt kaum noch Schlepplifte, überall piekfeine Sessellifte und sogar windgeschützte Aussichts-Röhren mit Förderbändern zum Restaurant.

Und was dann noch für jeden Einzelnen an Ausrüstung dazukommt: jede Menge Kunststoff-Verbundmaterial, das auch noch der neuesten Mode und Technik unterworfen ist und regelmässig ausgetauscht werden «muss».

Und so schaue ich auf den Gletscher, denke daran, dass meine vielleicht zukünftigen Enkelkinder, wenn sie sich beeilen, auf diese Erde zu kommen, die Gletscher in dieser Pracht wohl kaum mehr sehen werden. Eines Tages werde ich mit ihnen hier sitzen und ihnen von den Gletschern erzählen. Und diese wunderschönen, beeindruckenden Bilder zeigen.

Und dann schaffe ich es: Ich schiebe die unangenehmen Gedanken beiseite und geniesse. Inzwischen ist meine Freundin vom Kraxeln zurück, wir futtern Bündner Pizzoccheri mit Wirz (ich übersetze mal: Buchweizennudeln mit Wirsing), Kartoffeln und Käse. Ein Gedicht, dieses Essen. Eine Wonne, diese Aussicht. Grosse Dankbarkeit, hier sein zu dürfen.

leben pur

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Merci fürs «Mitreisen»

Wir überlegen, im Sommer wieder eine Reisepause zu machen und unsere Familien in Deutschland und der Schweiz zu besuchen. Mit dabei ist eine Idee, einen Vortrag über unsere lange Reise bis an den persischen Golf vorzubereiten. Falls Ihr Lust hättet, was würde euch am meisten interessieren? Hier werden wir auch Geschichten erzählen, die hier auf dem Blog keinen Platz finden. Wir denken an den Raum Bern und Berlin – einfach, weil wir da Familie haben. Aber auch andere Orte wären vorstellbar. Schreibt uns gern.

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2 Kommentare
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Rachel
Rachel
8 Monate zuvor

Einerseits schön, andrerseits traurig was du da schreibst.
Aber so sind nun mal die Tatsachen. 😔
Die Jungen verzichten zum Teil schon auf Kinder, aus eben diesen Gründen.
So auch meine Tochter mit Lebenspartner.

Geniesse noch was geht. 👍

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