Türkei – Die Halbinsel Gallipoli

Türkei – Die Halbinsel Gallipoli

Die Halbinsel Gallipoli, Teil des nordwestlichen Ufers der Dardanellen, ist seit Jahrtausenden von strategischer Bedeutung für die Eroberung Istanbuls. Während des Ersten Weltkrieges scheiterte der Versuch der Briten und ihrer Verbündeten, die Durchfahrt zu erzwingen.

Heute ist Gallipoli friedlich und von Vegetation bedeckt, aber in den Erinnerungen vieler Menschen, vor allem Türken, Briten, Franzosen, Australier und Neuseeländer, lebendig geblieben.

1915 organisierte Winston Churchill einen Angriff auf die Dardanellen, um die osmanische Hauptstadt unter seine Kontrolle zu bringen. Trotz starker britischer und französischer Flotten scheiterte dieser Versuch. Es folgten Landungen auf Gallipoli durch Truppen des Britischen Empires, Australiens, Neuseelands, Indiens und Frankreichs. Die Kämpfe waren heftig und endeten nach neun Monaten mit dem Rückzug der Invasoren.

Die Niederlage der Entente-Mächte war zum Teil auf schlechte Führung zurückzuführen, aber auch auf deutsche Verstärkungstruppen, die die osmanischen Streitkräfte unterstützten. Entscheidend war die Konfrontation mit Mustafa Kemal.

Der Feldzug dauerte bis Januar 1916 und forderte über eine halbe Million Opfer, darunter 130.000 Gefallene. Auf britischer Seite waren 36.000 Tote zu beklagen. Frankreich hatte 47.000 Verwundete und 8.800 Tote zu beklagen. Auf osmanischer Seite fielen fast 86.700 Soldaten, fast die Hälfte des eine halbe Million Mann starken Heeres wurde verwundet. Trotz der hohen Opferzahlen wurde die Schlacht oft als «Gentleman-Krieg» bezeichnet, der von gegenseitigem Respekt geprägt war. (Diese verharmlosende Beschreibung will jedoch nicht in meinen pazifistischen Kopf!)

Wir wachen früh auf. Es ist nicht der Muezzin, der uns weckt, nein, es sind die Hunde, die sich laut unterhalten. Daran müssen wir uns gewöhnen. Pünktlich um 9 Uhr stehen wir vor dem Museum. Und glauben gerade noch, dass es geschlossen hat. Der Parkplatz ist leer, Felix ist das einzige Fahrzeug auf dem riesigen Parkplatz. Platz ist hier für unglaublich viele Autos und Reisebusse, wir lassen unseren kleinen Reisebus allein und machen uns auf den Weg in das wirklich beeindruckende Museum.

Architektonisch ist es eine Wucht, gross und auch sehr beeindruckend und wirklich gut gemacht. An der Sicherheitskontrolle sitzen 3 (!) Männer und haben nichts zu tun. An der Kasse dann zwei Frauen, die ebenso untätig sind. Wir bezahlen unsere 30 Lira pro Person, was umgerechnet etwa 88 Cent oder 91 Rappen sind (Stand 21.12.2023).

Und schon gehört das Museum ganz uns. Wir laufen durch drei riesige Stockwerke mit vielen Ausstellungsstücken. Die ganze Ausstellung ist auf Türkisch und Englisch beschriftet, also für uns tipptopp verständlich.

Ich bin ein Museumsfan. Nein, nicht so thematisch, ich liebe einfach das Ausstellungsdesign. Wie sehen die Schilder aus, wie ist die Besucherführung? Welche Schriften werden verwendet, wie wird mit Farben, Licht und Schatten gearbeitet? Ich liebe Audioguides und hier ganz besonders jene für Kinder.

Neben dem ganzen Kriegskram ist das für mich das eigentliche Highlight des Museums. Wer verstehen will, was ich meine, dem empfehle ich das Jüdische Museum in Berlin, rein vom Ausstellungsdesign her. Und ja, auch inhaltlich, aber vor allem gestalterisch ist es ein fantastisches Beispiel dafür, wie man Architektur, Design und Ausstellung so gestalten kann, dass man spürt, was gesagt werden soll.

Wo war ich? Ach ja, Gallipoli.

Nach einer Stunde im Privatmuseum machen wir uns auf, die Halbinsel zu erkunden. Es gibt unzählige Soldatenfriedhöfe. Denkmäler mit eingravierten Reden von Mustafa Kemal, der sich später Atatürk nennen und die Türkei gründen wird.

Irgendwie deprimierend hier. Das Wetter ist diesig, passend zur Stimmung. Wir kommen am Denkmal für die 22.000 gefallenen Anzak-Soldaten vorbei. Riesig ragt es an der Südspitze in die Höhe. Anzac steht für Australian and New Zealand Army Corps.

Besonders beeindruckt sind wir dann vom französischen Soldatenfriedhof, der wirklich schön ist. Und das sagen wir, die wir eigentlich nicht so oft Friedhöfe besuchen. Aber hier kommt man um Friedhöfe ja nicht herum.

Die Menge der Gräber und die Weite der kleinen Halbinsel sind erschütternd und ergreifend zugleich. In einem anderen kleinen Museum kann man rekonstruierte Schützengräben begehen. Das ersparen wir uns, wir sind bei unseren Erkundungen ohnehin immer wieder bis zu den Knöcheln im Schlamm versunken und merken gerade, dass wir genug von Dreck, Leid und Krieg haben.

Ein letztes Mal geben wir uns der traurigen Stimmung hin, ich lese ein letztes Zitat von Atatürk vor, das uns irgendwie mit dieser Halbinsel und dem unsäglichen Leid (und dem gross gefeierten Sieg der Osmanen) versöhnt.

«Diese Helden, die ihr Blut vergossen und ihr Leben gelassen haben…
Ihr ruht nun in der Erde eines befreundeten Staates. Darum ruhet in Frieden.
Denn für uns gibt es keinen Unterschied zwischen den Johnnies und den Mehmets, wo sie Seite an Seite in diesem unserem Land liegen…
Ihr Mütter, die ihr eure Söhne aus fernen Ländern geschickt habt, trocknet eure Tränen! Eure Söhne liegen nun in Frieden an unserer Brust. Dass sie in diesem Land ihr Leben verloren haben, hat sie auch zu unseren Söhnen gemacht.»

Am Abend sehen wir uns noch ein, zwei Reportagen über das Osmanische Reich und den Ersten Weltkrieg an. Denn ehrlich gesagt wissen wir beide nicht viel über diese Zeit. Und merken, dass wir es wieder einmal nicht fassen können, wie wenig ein Menschenleben irgendwie wert war und leider immer noch ist. Warum, fragen wir uns. Warum wird so viel gekämpft, getötet, verletzt und gelitten? Warum nur? Bis heute. Fast überall.

leben pur

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Merci fürs «Mitreisen»

Wir überlegen, im Sommer wieder eine Reisepause zu machen und unsere Familien in Deutschland und der Schweiz zu besuchen. Mit dabei ist eine Idee, einen Vortrag über unsere lange Reise bis an den persischen Golf vorzubereiten. Falls Ihr Lust hättet, was würde euch am meisten interessieren? Hier werden wir auch Geschichten erzählen, die hier auf dem Blog keinen Platz finden. Wir denken an den Raum Bern und Berlin – einfach, weil wir da Familie haben. Aber auch andere Orte wären vorstellbar. Schreibt uns gern.

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