Türkei – Harran, die Stadt der Bienenkorbhäuser

Türkei – Harran, die Stadt der Bienenkorbhäuser

Wir verlassen Antep mit einem so schmutzigen Felix, dass es uns fast peinlich ist. Nicht, dass Gaziantep unseren Felix schmutzig gemacht hätte. Nein, seit der Schweiz hat unser Felix keine Aussenwäsche mehr bekommen. Schnee und Streusalz in Deutschland und Österreich, Regen in Ungarn, holprige Strassen in Bulgarien und Serbien und staubige Gegenden in Griechenland und der Türkei haben eine romantisch-dreckige Abenteuer-Patina auf unserem Van wachsen lassen. Das Problem: Wir können nicht einmal mehr die Tür öffnen, ohne selbst dreckig zu werden.

Während wir also an irgendeiner Raststätte frühstücken, bekommt Felix eine kleine Wellnesskur mit Schlauch und Besen. Auch meine Stiefel werden auf Hochglanz poliert.

Und das alles, um exakt 10 Minuten später durch die schlammigste und verregnetste Stadt unserer Reise zu fahren. Und auch manche gut ausgebaute Strassen enden plötzlich. Der Weg führt dann, ganz türkisch, schnell über sandige (und heute schlammige) Umgehungsstrassen. Aber: Wir haben es versucht, mit einem sauberen Auto. Der gute Wille zählt!

Wir kommen in Harran an. Die Stadt (wir finden eher: Das Dorf) mag einigen aus biblischen Erzählungen bekannt sein – es wird vermutet, dass es sich um den Ort Haran handelt, in dem Abraham lebte, bevor er nach Kanaan zog. Diese Verbindung verleiht der Stadt eine tiefe spirituelle Bedeutung und zieht Religionshistoriker und Pilger gleichermassen an. Ich selbst habe keine Ahnung mehr, warum ich mich vor Wochen für diesen Ort entschieden habe. Wahrscheinlich habe ich irgendwo davon gelesen. War beeindruckt von den Bildern. Keine Ahnung. Ich sollte mir mehr Notizen in meinen Notizen machen.

Harran war im Laufe seiner Geschichte Teil verschiedener Reiche – vom assyrischen bis zum persischen. Diese vielfältigen kulturellen Einflüsse machten Harran zu einem wichtigen Handels- und Wissenschaftszentrum. Besonders hervorzuheben ist die Rolle der Stadt als Zentrum für Astronomie und Bildung, vor allem während der islamischen Blütezeit.

Im Mittelalter war die Universität von Harran ein herausragendes Wissenszentrum, das für seine Beiträge zur Philosophie, Medizin und Naturwissenschaft berühmt war. Die Madrasa, die als älteste Universität der islamischen Welt gilt, zog Gelehrte aus der ganzen islamischen Welt an und spielte eine entscheidende Rolle bei der Bewahrung und Weitergabe von Wissen.

Heute wird die Universität wieder ausgegraben und für Touristen zugänglich gemacht. Wir stehen allerdings vor winzigen Ausgrabungsstücken, es gibt noch viel zu tun. Eigentlich stehen wir auf einem Geröllfeld.

Die Menschen hier sprechen überwiegend arabisch, wir lernen eine Familie kennen, deren Ursprung vor mehreren Generationen im Irak lag, nicht weit von hier.

Besonders schön sind die Bienenkorbhäuser. Wir erinnern uns an die in Italien, wo man sie Trulli nannte. Hier sind diese Häuser, die wir auch kurz besichtigen dürfen, den klimatischen Bedingungen angepasst. Im Sommer – man erzählt uns, dass es hier bis zu 50 Grad Celsius und mehr werden kann – bleiben sie innen schön kühl und im zwar milden, aber dennoch kühlen Winter kann man sie gut beheizen. Es lässt sich darin vortrefflich leben.

Leider ereignete sich nach der Besichtigung ein merkwürdiger Vorfall, der uns Harran in etwas schlechter oder zumindest unangenehmer Erinnerung lassen wird. Ungünstigerweise hatten wir den Preis für die Führung nicht vorher ausgehandelt. Und dummerweise war die halbstündige Führung über besagte Geröllfeld überhaupt nicht gut (wir hatten uns vorher bei Wikipedia deutlich schlauer gemacht). Und am Ende meinte der Führer, er wolle jetzt 50 Euro pro Person haben. Alles darunter sei peinlich und eher ein Trinkgeld. Verhandeln: Fehlanzeige. Er wurde dann richtig wütend und wir hatten das Gefühl, dass er eher seinen Stolz vor den anderen wahren wollte, als mit uns zu verhandeln.

Wir gaben ihm dann umgerechnet 20 Euro (was, wie wir später von befreundeten Türken erfuhren, viel zu viel war), er fuchtelte herum und wollte das Geld nicht. Er wollte es uns lieber schenken, als sich mit so wenig Geld abspeisen zu lassen.

Ich bezahlte dann noch schnell den Tee bei den Frauen, wir schenkten den Kindern einen Fussball (hatten wir zuvor versprochen und die Kids können ja nix dafür) und rollten vom Hof.

Es fühlte sich komisch an. Sehr seltsam.

Auf der langen Strasse Richtung Şanlıurfa war es dann ganz still in unserem Van. Wir hatten beide so ein ungutes Gefühl. Und wussten nicht damit umzugehen. Ein beschissenes Gefühl, ehrlicherweise.

Wir fangen an, darüber zu reden. Überlegen uns Strategien, wie wir in Zukunft damit umgehen könnten und finden dann beide, dass wir in Zukunft immer vorher den Preis aushandeln werden. Und wenn das nicht geht, dann nehmen wir die Dienstleistung einfach nicht in Anspruch. Ja, das fühlt sich gut an. Und uns geht es besser.

Kleiner Nachtrag: Wir sprechen später mit türkischen Freunden darüber und unsere Lösung, wie wir damit umgehen wollen, findet auch dort Zustimmung. So, unsere kleine Traveller-Welt ist wieder in Ordnung.

leben pur

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Merci fürs «Mitreisen»

Wir überlegen, im Sommer wieder eine Reisepause zu machen und unsere Familien in Deutschland und der Schweiz zu besuchen. Mit dabei ist eine Idee, einen Vortrag über unsere lange Reise bis an den persischen Golf vorzubereiten. Falls Ihr Lust hättet, was würde euch am meisten interessieren? Hier werden wir auch Geschichten erzählen, die hier auf dem Blog keinen Platz finden. Wir denken an den Raum Bern und Berlin – einfach, weil wir da Familie haben. Aber auch andere Orte wären vorstellbar. Schreibt uns gern.

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