Türkei – Puccini im Presidential Symphony Orchestra

Türkei – Puccini im Presidential Symphony Orchestra

Wer unsere Beiträge schon länger liest, weiss, dass wir Fans klassischer Musik sind. Hin und wieder zieht es uns auf unseren Reisen in Konzerte. In der Türkei sind wir allerdings noch nicht so richtig fündig geworden. Liegt es an unseren mangelnden Sprachkenntnissen oder am Angebot, das sich uns nicht auf den ersten Blick erschliesst?

In Batman, bei unseren Freunden, haben wir endlich Zeit, nachzufragen. Schnell kommt ein Link von Tamer. Am Freitag gibt es zum 100. Todestag von Puccini ein Konzert mit Chor und ein oder zwei Tenören.

Na, wenn das mal nichts ist. Ich klicke mich durch die türkischsprachige Ticketseite, verstehe nur Bahnhof und finde noch genau zwei zusammenhängende Plätze in der billigsten Kategorie. Die Webseite warnt mich: Die Plätze sind sehr hoch, wer Höhenangst hat, sollte es sich überlegen. (Ich überlege kurz, erzähle Gerd nichts davon und buche.) Wir zahlen inkl. Ticketgebühr CHF 4.02 für zwei Plätze. Die teureren Reihen direkt vor der Bühne wären auch nicht viel teurer gewesen, aber das ganze Konzert ist ausverkauft.

So laufen wir am Abend noch einmal von unserem Hotel den Berg hinunter in die Stadt, bewundern die Melike Hatun Moschee im Abendlicht und stehen wenig später vor der vom Regen glitzernden und hell erleuchteten Philharmonie.

Das Projekt der Präsidenten-Philharmonie in Ankara begann 1992 mit einem Architekturwettbewerb, aus dem der Entwurf von Semra Uygur und Özcan Uygur als Sieger hervorging.

Die Architektur der Philharmonie zeichnet sich durch markante und dynamische euklidische (???) Formen aus. Ein zentrales Merkmal ist das riesige, eiförmige Kuppeldach, das den Symphoniekonzertsaal mit 2000 Plätzen und eine kleinere, kugelförmige Kuppel für den Kammermusiksaal mit bis zu 500 Plätzen überspannt. Beide Säle sind Teil eines dreieckigen prismatischen Foyers, das als «Stadtraum» konzipiert wurde und öffentlich zugänglich ist. Man sagt, dass der gesamte Komplex wie ein Kratersee und ausserirdisch wirkt.

Obwohl wir eher zu den traditionellen Architekturfans gehören, fühlen wir uns hier sehr wohl. Witzig (und ein wenig an den Berliner Flughafen erinnernd) ist, dass sich der Bau über einen Zeitraum von 29 Jahren erstreckte, in denen fünf Präsidenten, zehn Ministerpräsidenten und zwanzig verschiedene Kulturminister im Amt waren. Aufgrund sich ändernder staatlicher Prioritäten wurde das Projekt mehrfach überarbeitet, wobei neue Technologien und aktuelle Baufortschritte in das Design integriert wurden.

Auf jeden Fall wollen wir im Bistro zu Abend essen, die Leute beobachten und in das kulturelle Leben Ankaras eintauchen. Wir setzen uns zu einem Herrn an den Tisch und die anderthalb Stunden bis zum Konzert vergehen wie im Flug. Unser Gespräch dreht sich um die Unterschiede zwischen Ankara und Istanbul, das türkische Schulsystem, die Abschlussprüfungen der Pubertierenden, die Welteroberung der 3D-Drucker und den Traum, einmal mit der Vespa bis nach Italien zu fahren. Vielleicht liegt das letzte Thema daran, dass unser Tischnachbar zufällig auch der Vorsitzende des hauptstädtischen Vespa-Clubs ist. Wer weiss?

Die Glocke läutet, alle strömen in den Muttersaal, wie er hier genannt wird. Wir sind erst einmal beeindruckt von der Grösse und klettern die Stufen hinauf zu unseren Plätzen. Es ist ganz schön steil hier oben, aber gar nicht schlimm. Wir haben einen guten Überblick, das Konzert ist ausverkauft. Keine Plätze mehr frei!

Wow, und dann geht es los, ein Traum von Akustik, nahezu perfekte Musik, leider viele Stücke für uns unbekannt. Aber der Genuss bleibt. Dirigent Andrea Solinas, Tenor Gianluca Terranova und Bariton Sergio Vitale treten gemeinsam mit dem TRT Ankara Radyosu Chor unter der Leitung von B. Elnara Kerimova auf. Auf dem Programm stehen Werke von Giacomo Puccini, darunter Stücke aus den Opern «Le Villi», «La Boheme», «Manon Lescaut», «Gianni Schicchi», «Suor Angelica», «Madama Butterfly», «Turandot» und «Messe de Gloria».

Und ich merke, dass ich nicht weiss, was mir an einem solchen Abend am besten gefällt. Die gut gekleideten und stets freundlichen Menschen, die glitzernden Instrumente, die Abendkleider und Fracks der Musiker:innen, die unsagbar stimmige Musik oder der Chor, der einfach beeindruckend ist. Alles zusammen ist einfach so überwältigend.

In der Pause versuchen wir, Tamer, unserem Freund in Batman, eine Dankesnachricht zu schicken. Leider sind während des Konzertes alle Telefonsignale gestört worden, kein Anruf geht raus, kein Anruf kommt rein. Na ja, keine schlechte Idee.

Bedauerlicherweise ist das Konzert, wie so oft, nach knapp zwei Stunden viel zu früh zu Ende. Wir laufen durch die regennasse und glänzende Stadt zurück und stapfen ein letztes Mal zu unserem Hotel, das, wie schlau von uns, zwar zentral und mit bester Aussicht liegt, aber eben auf einem ziemlich hohen Berg. Oben angekommen schüttet es wie aus Eimern, wir sind nur froh, dass wir trockenen Fusses zum Konzert gekommen sind und nicht wie nasse Katzen auf dem Rückweg.

Quellen: https://www.archdaily.com/970760/the-presidential-symphony-orchestra-concert-hall-and-choir-buildings-uygur-architects & https://www.e-architect.com/turkey/the-presidential-symphony-orchestra-concert-hall-ankara & https://worldarchitecture.org/architecture-news/emhzp/uygur-architects-completes-presidential-symphony-concert-hall-and-choir-buildings-in-turkey.html & https://csoadaankara.ktb.gov.tr/tr/event/detail/6102/6117/-cumhurbaskanligi-senfoni-orkestrasi-puccini-nin-olumunun-100.-yil-donumu-ozel-konseri

leben pur

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Merci fürs «Mitreisen»

Wir überlegen, im Sommer wieder eine Reisepause zu machen und unsere Familien in Deutschland und der Schweiz zu besuchen. Mit dabei ist eine Idee, einen Vortrag über unsere lange Reise bis an den persischen Golf vorzubereiten. Falls Ihr Lust hättet, was würde euch am meisten interessieren? Hier werden wir auch Geschichten erzählen, die hier auf dem Blog keinen Platz finden. Wir denken an den Raum Bern und Berlin – einfach, weil wir da Familie haben. Aber auch andere Orte wären vorstellbar. Schreibt uns gern.

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