Manchmal ist das Leben schon komisch: Da reisen wir durch die Schweiz und durch Deutschland, besuchen Freunde und Verwandte, verlieben uns in ein Projekt, das – wenn es nach den Göttern des Bauamts und anderen Verantwortlichen geht – ab 2026 unser Zuhause sein wird, und dann denken wir uns: Na ja, wenn wir schon mal hier sind, könnten wir ja auch ein bisschen mehr arbeiten.
Gedacht, gewünscht, getan: und wieder einmal gelernt, dass man genau wünschen muss, nicht einfach «viel» sagen, sondern vielleicht etwas genauer formulieren. Denn viel kann schnell zu viel werden. Aber das Gute an unserem Viel, von mir aus auch am Zuviel, ist: die Arbeit macht uns Freude, wir geniessen es und merken, wie beschenkt wir mit unserer Berufswahl und Projekten sind.
Kleiner Nachteil: es bleibt einiges liegen. Zum Beispiel das Schreiben unseres Tagebuchs hier, das Stricken vieler Ideen, die zunächst nur im Kopf existieren. Und die dazugehörige Wolle, natürlich längst gekauft, bleibt auch liegen und taugt derweil als Dämmung im Schrank in kalten Herbsttagen.
Aber jetzt, wo wir hier im eiskalten Brandenburg sind, nehme ich mir mal wieder die Zeit, ein paar (Reise-)Gedanken zu Papier bzw. digital zu bringen. Denn gerade in intensiven Momenten ist es wichtig, in sich hineinzuhören. Kurze, aber schöne Momente zu schaffen.
Und das geht so: Wir alle kennen viele Dinge, Handlungen, Momente, die uns guttun, die uns richtig guttun. Uns runterkommen lassen, in uns ruhen lassen. Ein paar Beispiele?
Der gemütliche Morgenkaffee mit Blick aus dem Wohnmobil in «unsere Vorgartenwelt». Oder ein paar Reihen stricken (für mich die beste Meditation). Oder Tagebuch schreiben. Mit Reisefreunden schreiben oder telefonieren. Mit unseren Kindern lange Gespräche führen. Gerd liest mir auch gerne Witze vor (die sind meistens nicht so lustig, aber wir lachen trotzdem). Zwei, drei Lieblingslieder laut hören und dazu tanzen. Und, und, und …
Eine Idee ist nun, wenigstens ein paar Mal am Tag Dinge zu «tun», die sich gut anfühlen, d. h. auch in hektischen, unruhigen, kalten, unsicheren Zeiten wenigstens ein paar mal am Tag in einen zufriedenen, vielleicht sogar glücklichen Zustand zu kommen. Und dabei zu lernen, dass wir für unser Befinden immer selbst verantwortlich sind. Die Welt da draussen werden wir nicht so schnell ändern können, aber ob ich mich über sie ärgere, ob ich Angst habe oder mich über die kleinen Dinge freue, das liegt ganz allein an mir.
Und nun zur Bucketlist
Zuerst einmal, was ist diese ominöse Bucketlist, oder auf Deutsch: Löffelliste? Dinge, die man erledigt haben will, bevor man seinen sogenannten Löffel abgibt. Es ist eine Liste, die man sich selbst gemacht hat, die einem sagt, was man in diesem Leben noch erleben muss, um beruhigt und erfüllt sterben zu können. Nur: es wird von einem Punkt zum nächsten gehetzt, brav abgehakt, und schon geht es weiter zum nächsten Punkt auf unserer «Das will ich noch sehen, bevor ich diese Welt verlasse-Liste». Dabei lassen sich Glück, Zufriedenheit und all das, was wir uns vielleicht wünschen, nicht abhaken wie Obst und Gemüse auf dem Einkaufszettel.
Viele Bucketlisten sind voll von Orten, die dann, wenn man sie einmal besucht hat, einen oberflächlichen Geschmack hinterlassen. Vielleicht sogar zu kommerziell. Manche Listen lesen sich eher wie Zwang oder Leistungsdruck. Der Trend scheint zu einer Anhäufung von spektakulären Ereignissen zu gehen. Ist es das, was wir wirklich wollen?
Aber was bedeutet das eigentlich? Leben wir im Jetzt? Oder kontinuierlich in der Zukunft? Ja, klar, im Januar fahren wir nach Marokko, darauf freuen wir uns, Vorfreude ist gut. Und im Jahr 2026 räumen wir unseren vollgestopften Keller aus und stellen die Möbel, an die wir uns kaum noch erinnern, in eine neue Wohnung. Wir planen Küche, Bodenbelag und Wandfarbe. Aber wollen wir nur in der Zukunft leben?
Wir nehmen uns Zeit für uns, Tag für Tag. Der morgendliche Kaffee, die Strickreihen, die mittelmässigen Witze mit den anschliessenden Lachensalven. Der kurze Tanz im wackelnden Felix zu Songs aus den 60ern, 70ern oder 80ern, der Podcast im Ohr oder das gute Buch. Die Natur um uns herum oder die Zeit mit der Familie. Das Jetzt ist so viel schöner als das Gestern oder Morgen.
Klar, das gelingt auch uns nicht immer, eigentlich überhaupt nicht oft. Aber es gelingt. Ab und zu. Und wenn es dann diese Momente gibt, in denen wir mit unserer Freundin zu ihrem Geburtstag den ersten Schnee in den Bergen geniessen, in denen wir frisch geerntete Äpfel aus dem Vinschgau naschen, in denen wir spontan nach Berlin ins Humboldt-Forum fahren und uns eine Ausstellung anschauen und danach noch ein, zwei Stunden mit unserer Tochter käffelen: Das sind die Momente, die man nicht auf eine Bucketlist schreiben kann. Das sind die Momente, die uns beglücken. Das sind die Momente, die in unseren Herzen bleiben, ohne abgehakt zu werden.
Vielleicht machen wir eine umgekehrte Bucketlist: Eine Liste der Dankbarkeit. All die wunderbaren Begegnungen, die traumhafte Natur, die Geschenke in unserem Leben, die gemeinsame Zeit, für all das sind wir unendlich dankbar. Und gerade in der Energie der Dankbarkeit lässt es sich wunderbar leben. Auch wenn der Löffel abgegeben werden muss oder vielleicht gerade deswegen.
Ach ja, Wünsche haben wir auch. Keine Frage. Wir wünschen uns zum Beispiel, Marokko zu bereisen. Und wenn es klappt, sind wir dankbar. Wenn es aber nicht klappt, können wir immer noch sagen, dass wir bisher ein wunderbares, glückliches und schönes Leben hatten und haben. Ganz ohne Bucketlist.
PS.: Die schöne Reise ins Südtirol mit meiner Freundin wartet nur darauf, hier niedergeschrieben zu werden. Genauso, wie meine Kundin darauf wartet, dass ich ihre InDesign-Templates für die Produktion fertig mache. Ich werde wohl noch bis zum Jahresende Prioritäten-Management betreiben. Wie eigentlich immer.
PPS.: Wer Tipps zu Marokko hat, wir würden uns freuen!
Merci fürs «Mitreisen»
Hier findet ihr unsere künftigen Vorträge:
Termin: 24. November 2024 16 Uhr (Türöffnung 15 Uhr)
Ort: Deutschland, Landgasthof zum Mühlenteich 15345 Eggersdorf bei Berlin
Anmeldung: https://forms.gle/5XFgSz31NKzmCzmT8
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Ein „Dankeschön“ für Euren wunderbaren Reise-Blog, den ich erst seit einigen Tagen kenne. Sehr schöne Berichte und die Fotos sind einmalig.
Zur Ruhe kommen in der jetzigen Zeit ist doch schön, Plätzchen und Tee für die besondere Stimmung am Nachmittag, wenn die Sonne untergeht.
Herzliche Grüße
aus Uffing am Staffelsee