
Die Energie der Wüste ist unvergleichlich. Ob sie eine weibliche Kraft in sich trägt oder etwas anderes, bleibt ein Rätsel. Die Marokkaner sagen: «Wenn die Wüste zu dir spricht, spürt das deine Seele. Sie berührt dich tief in dir.»
Und ja, genau das ist es. Nicht jeder Mensch wird beim Betreten der Wüste so tief berührt, wenn der warme Sand zwischen den Zehen rieselt, wenn beim Besteigen der Dünen der Boden unter den Füssen wegrutscht. Man muss sich hocharbeiten, weil die Wüste lebendig scheint. Der Kamm einer Düne wirkt wie eine Temperaturgrenze. Hier warmer Sand, eine leichte Brise, die gut tut. Dahinter, im Schatten, kalter Sand und ein Wind, der mich frösteln lässt.
Und dann die Stille. Die unsagbare Stille. Keine hörbaren Tiere, keine menschengemachten Maschinen, nicht einmal der Ruf des Muezzins. Nichts. Der Himmel scheint endlos weit, die Sandberge zum Greifen nah. Die Sonne taucht alles in warmes Licht. Während wir in den Oasen von Exotik sprechen, kann ich hier nur von Magie schreiben.
Und ich merke einmal mehr: Die Wüste hat zu mir gesprochen, sie hat tief in mir meine Seele berührt. Hier ist ein Ort, an den ich immer wieder zurückkehren möchte, an dem ich zur Ruhe kommen kann. Wo ich einfach sein darf. Natürlich darf ich überall sein, aber hier fühlt es sich so natürlich an, so klar, so unverbraucht, ungehetzt, vielleicht sogar innig. Verbunden ist möglicherweise das beste Wort.
Dann kommen die Gedanken: Wie kann ich dieses Gefühl festhalten? In Bildern? Vielleicht. Natürlich fotografieren wir, aber das ist nicht das, was ich meine. Wir erleben zu dritt diese wunderbare Wüstenerfahrung. Das bringt ebenso Verbundenheit. Wir werden noch Jahre danach darüber sprechen und unsere Augen werden strahlen. Das tun sie immer, wenn wir in gemeinsamen Erinnerungen schwelgen. Und derlei haben wir so viele. Aber nein, auch diese Art von Verbundenheit ist es nicht.
Es ist eher das: sich seelisch mit der Wüste verbunden fühlen. Ihre endlose Ausdehnung ist nicht Leere, sondern Freiheit. Die Abwesenheit von Lärm und Ablenkung schafft Raum für Gedanken, für Selbstreflexion und für eine tiefe Verbindung – vermutlich – mit sich selbst. Es ist ein bisschen wie die Sprache der Wüste zu verstehen: das sanfte Flüstern des Sandes, die unermüdliche Kraft der Sonne, die rasche Kühle des Abends. Es ist eine Verbindung zu einem scheinbar uralten, zeitlosen Raum, in dem das Leben auf das Wesentliche reduziert ist – und gerade dadurch unendlich wertvoll wird.
Diese Verbundenheit, die ich schon oft fühlte, aber jeweils sehr intensiv in den Wüsten (ausser in Dubai, da kam nichts von Verbundenheit an neben dem lauten Knattern der Jeeps und der noch lauteren Musik der Desert-Party-People), ist mehr als nur ein Gefühl – sie scheint eine Art echte Realität, die unser Sein bestimmt. Hier können gute Entscheidungen getroffen werden, hier können sich Wege ändern. Auch wenn es irgendwie scheint, als ob hier alles unwichtig sei, als ob es viel zu gross ist für einen einzelnen kleinen Menschen und sein noch kleineres Hirn, hier scheint sich alles zu verbinden. Eben mit seinem grossen Herz, welches dann doch sehr verbunden ist.
Im Buddhismus spricht man ja auch von Verbundenheit und sagt dabei, dass alles miteinander verwoben ist, nichts existiert für sich allein. Und genau dieses Gefühl ist so wunderbar. Ich bin viel klarer, kann für mich sein, die Ruhe spüren und dennoch mich sicher fühlen durch das Eingebundensein in alles. Das heisst aber nicht nur, dass alles miteinander verbunden ist, sondern auch, dass unser Handeln Auswirkungen auf die Welt hat. Hier kommen Gedanken wie Achtsamkeit und Mitgefühl ins Spiel.
Ebenso die Vergänglichkeit, die für mich immer wieder schwer ist, zu akzeptieren. Aber ich lerne. Mir wird bewusst, dass die Vorstellung eines festen «Ichs» eine Illusion ist, da unsere Existenz aus unzähligen Bedingungen entsteht. Eben genau das ist noch schwerer zu verstehen, zumindest für mich.
Weil wir an einem Ort geboren sind oder zumindest einen «starken» Pass haben, und vielleicht (wer weiss das schon?) nichts dafür getan haben, dürfen wir Privilegien erfahren, die uns reisen lassen beispielsweise.
Im Gespräch mit den Menschen hier höre ich dann, dass ich mir gar nicht derart viele Gedanken machen soll, das sei eine typische westliche «Schuld»-Thematik. Wenn ich der Welt über unsere Erfahrungen hier berichte, trage ich die Energie ja weiter, lasse teilhaben, schaffe Verbindung. Das sachlich zu verstehen ist eine Sache, das zu akzeptieren und zu verinnerlichen, eine ganz andere. Aber auch hier: Wir leben, um zu lernen. Und genau das scheint mich die Wüste zu lehren: die Verbundenheit auch in den Alltag mitzunehmen oder sie immer wieder in unseren Alltag einzuladen. Denn ohne Verbundenheit scheint das Ganze doch ziemlich trostlos.







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Unser Vortrag findet am Freitag, 16. Mai 2025, 19:00 Uhr statt.
Hier: Kulturverein Zeißighof, Hoyerswerda.

Oh Ihr Lieben,
was für traumhafte Bilder!😍