
Ich erwache bei strahlendem Sonnenschein, doch der Moment trügt. Wenig später höre ich den Regen leise auf Felix prasseln. Ich schaue hinaus und finde genau die richtige Herbststimmung vor, um mir einen Kaffee zu kochen, die Wärmflasche noch einmal zu füllen, ein paar Maschen zu stricken – und ja, auch ein bisschen zu arbeiten. Schliesslich hatte ich in der letzten Woche Ferien, nur meine Kunden wussten nichts davon. Also arbeite ich ein wenig und überlege, wie ich die verbleibenden zwei Tage am besten verbringen kann.
Mein Plan: noch einmal über den Flüelapass fahren, diesmal allein. Das Wetter ist wechselhaft – mal leuchten die Bäume in Gelb, Rot, Grün und Orange, mal färbt der Regen alles in ein tristes Grau. Hoch oben, in einer Kehre, halte ich an, stelle mich auf einen Parkplatz und schlage mein Büro auf. Es gibt nicht viel Schöneres, als an den schönsten Orten der Welt zu arbeiten. Ich koche mir einen weiteren Kaffee, erhitze die Wärmflasche für meine «Fußbodenheizung», klappe den Laptop auf und arbeite Stunde um Stunde mit einem traumhaften Ausblick.
Am Nachmittag spüre ich Unruhe in mir. Ich muss weiter, möchte noch im Hellen einen ruhigen Platz zum Übernachten finden. Meine Fahrt führt mich nach Davos, wo ich einen Stellplatz direkt am Wolfgangsee finde. Doch dieser liegt leider auch unmittelbar an einer viel befahrenen Strasse – hier möchte ich nicht bleiben. Also halte ich nur kurz, trinke einen Kaffee, arbeite noch etwas und stricke ein paar Maschen. Dann beschliesse ich, weiterzuziehen.
In Klosters, bei der Bergbahn, werde ich fündig. Viele Bergbahnen bieten in der Nebensaison ihre Parkplätze für Camper an, was ich sehr praktisch finde. Meistens gibt es eine Pizzeria in der Nähe, und am Morgen ist man direkt an der Bergbahn. Ich mache es mir gemütlich, verbummle meinen zweiten Abend und stelle fest, dass ich langsam mit dem Alleinsein zurechtkomme. Ja, ich muss alles selbst machen: die Keile herausholen und den Camper darauf fahren, tanken, abwaschen, die Kerzen herausholen, um es romantisch zu machen. Und ja, ich koche den Kaffee und wasche auch die Tasse wieder ab. Doch all das gefällt mir – besonders, weil ich weiss, dass ich spätestens morgen Abend wieder mit meinem Gerd in unserem Felix zusammen sein werde.
Am nächsten Morgen wache ich wunderbar ausgeschlafen auf. Es sind nur drei Stunden bis nach Hause, doch ich stehe direkt vor einer Gondel, umgeben von Bergen. Wann werde ich das nächste Mal ins Bündnerland kommen?
Die Entscheidung fällt schnell: Ich packe mein Strickzeug in meinen Rucksack, kaufe ein Ticket und fahre mit der Gondel auf den Berg. Oben angekommen, laufe ich eine kleine Runde. Die Gegend ist zwar beeindruckend, aber auch sehr touristisch erschlossen, was mir weniger gefällt – ich mag es, wenn die Natur natürlicher wirkt. Dennoch setze ich mich an die äusserste Ecke der Terrasse des Bergrestaurants, trinke meinen obligatorischen Bergkaffee und mache es mir gemütlich. Die Sonne strahlt, die Berge leuchten, und die Wälder erstrahlen in herbstlicher Pracht. Ich bin unfassbar glücklich, ruhig, und fühle mich vollkommen.
Nach ein paar Reihen an meinem Lieblingspullover – der übrigens immer der ist, den ich gerade stricke – fahre ich mit der Gondel wieder hinunter. Felix wartet auf mich, und ich freue mich, ihn wiederzusehen. Schnell schreibe ich meinem Liebsten eine Nachricht: «Ich fahr’ jetzt los.»
Die Rückfahrt führt mich durch eine sonnendurchflutete Schweiz, vorbei am Walensee und Zürisee, durch wunderschöne Landschaften. Am späten Nachmittag komme ich schliesslich in Münchenwiler an, wo ich meinen Mann endlich in die Arme nehmen kann.













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