Längerer Beitrag – schneller Überblick:
Momentaufnahmen Teil 2
Medersa ben Youssef
Wir hätten die Medersa ben Youssef ganz für uns allein haben können. Hätte, hätte, Fahrradkette. Doch der unbändige Durst nach einem gemütlichen Kaffee auf einer sonnigen Dachterrasse war stärker. Der Morgen in Marrakesch ist frisch, nein, eher kalt! So sehnten wir uns nach der wärmenden Sonne und nicht nach einer leeren, kalten Koranschule. Nach einer wärmenden Stunde in der Sonne jedoch lernten wir: Alle Touristen warten auf die Sonne. Und so strömten alle gleichzeitig in die Koranschule.
Wieder etwas gelernt! Nächstes Mal ziehen wir uns dicke Socken an, wickeln uns in mehr als ein Tuch und gehen um 9 Uhr zum Eingang. Dann sind wir allein. (Eigentlich waren wir es ja, aber wegen der wärmenden Sonne gingen wir nochmal raus – wir Dussel!)
Also, die Medersa ben Youssef: Diese ehemalige Koranschule wurde im 14. Jahrhundert unter der Meriniden-Dynastie gegründet und später im 16. Jahrhundert unter den Saadiern erweitert. Sie war einst die grösste islamische Hochschule Nordafrikas und beherbergte bis zu 900 Studenten, die sich dem Studium des Korans und anderer Wissenschaften widmeten.
Heute fungiert die Medersa nur noch als Museum, und Himmel und Menschen strömen hinein und hinaus. Der zentrale Innenhof ist mit kunstvoll geschnitztem Zedernholz, feinster Stuckarbeit und farbenfrohen Zellij-Mosaiken verziert. Ein Wasserbecken in der Mitte würde das filigrane Spiel von Licht und Schatten reflektieren, wenn nicht etliche Besucher und Besucherinnen davor posierten. Wer vom Innenhof genug hat (wir könnten stundenlang die handwerklich fantastischen Details betrachten – wir sind ganz verliebt darin), geht dann in die Gänge rund um den Innenhof. Über mehrere Etagen führen schmale Gänge, von denen die kleinen, schlichten Studentenzimmer abgehen. Diese stehen im Kontrast zur Pracht des Haupthofs, sind mehr als spartanisch und geben einen Einblick in das damalige Leben der Schüler.
Hier wundern wir uns wieder einmal, wie viele Menschen nicht die Schönheiten bewundern, sondern ausschliesslich sich selbst fotografieren. Gerd und ich geraten ja immer mal wieder aneinander, er hasst Selfies vor schönen Orten, ich habe wenigstens gern mal ein Erinnerungsfoto von uns beiden. So haben wir eine Absprache: Pro Tag ein gemeinsamer Selfie bei besonders schönen Situationen oder an schönen Orten. Gar nicht so einfach in Marrakesch, nur einmal pro Tag! Aber das Gute ist: Unsere Freundin ist dabei und er bricht (wegen ihr?) seine eigene Regel mehrfach. Hat eben alles gleich mehrfach gute Seiten, so ein Besuch.
https://www.medersabenyoussef.ma





















Das älteste Teehaus Marrakeschs – das «1112»
Kaum sind wir aus der Koranschule raus, gelüstet es uns nach einem Tee, einer Pause und vor allem: Ruhe. Es dauert auch gar nicht lang, vielleicht zwanzig Schritte weiter, da lockt uns ein Teehaus. Untergebracht in einem 300 Jahre alten Riad, dessen Name «1112» auf das islamische Jahr seiner Errichtung verweist, bietet es einen authentischen Einblick in die marokkanische Teekultur. Eigentlich wollten wir «nur mal rasch» reinschauen, bleiben dann aber länger.
Denn wo es schön ist, soll man verweilen. Wir können hier aus zwölf verschiedenen Tees aus den zwölf Regionen Marokkos wählen, begleitet von traditionellen, teils in Vergessenheit geratenen marokkanischen Süssspeisen. Genau unser Ding!
Das sorgfältig restaurierte Ambiente des Riads, mit seinem üppigen Innenhof und kunstvollen Holzarbeiten, verzaubert uns. Ich bin ganz ehrlich: Auch wenn die Kellner alle etwas verkleidet wirken, finde ich es wunderbar! Sogleich geht meine Fantasie mit mir durch und ich fühle mich selbst 300 Jahre in die Vergangenheit versetzt: Ich schliesse die Augen, nehme die Düfte der Pflanzen, der Tees und der Umgebung wahr, lasse geheimnisvolle Klänge mein Ohr verzaubern und beim Öffnen der Augen bin ich kurz verwundert, dass die Teppiche hier nicht fliegen können.
Das Warten auf unsere Tees versüssen wir uns mit einem Rundgang durch ein kleines Mini-Teekannen-Museum innerhalb des Riads. Es präsentiert historische Teekannen und andere Utensilien, die die reiche Geschichte der marokkanischen Teekultur illustrieren.
Wir hätten hier natürlich auch die verschiedenen Tees kaufen können, entscheiden uns jedoch dagegen. Schliesslich fahren wir immer noch Tee aus dem Iran und der Türkei mit uns herum. Und so viel Tee trinken wir dann doch nicht «zu Hause».
Unser Tee wird serviert, natürlich nach traditionellem Ritual: Erster Aufguss – Der grüne Tee wird mit heissem Wasser gespült, um Bitterstoffe zu entfernen. Zweiter Aufguss – Frische Minzblätter und Zucker werden hinzugefügt, dann wird der Tee erneut aufgekocht. Einschenken – Der Tee wird aus einer silbernen Teekanne aus großer Höhe in kleine Gläser gegossen, um Schaum zu erzeugen. Dies verbessert nicht nur den Geschmack, sondern gilt auch als Zeichen der Kunstfertigkeit des Gastgebers. Und eines ist klar: DAS können sie hier alle, egal ob der Teeverkäufer hier im renommierten 1112 oder jener an irgendeiner beliebigen Ecke auf dem Basar! Und jedes einzelne Mal ist es für uns eine Freude, ihnen beim Einschenken zuzusehen.
Übrigens kam Tee erst im 18. Jahrhundert mit britischen Händlern nach Marokko und wurde rasch in die Kultur integriert. Heute ist er ein unverzichtbarer Bestandteil des täglichen Lebens und ein Ausdruck marokkanischer Identität.











Hammam, Massage & schmerzhaft schöne Füsse
Wir sind ganz ehrlich: So richtig können wir der Spa-Kultur nichts abgewinnen. Weder gehen wir in Saunen noch schwimmen wir ewig in irgendwelchen Whirlpools. Weder hier noch dort. So lockt uns auch der Hammam nicht wirklich. Der Hammam, das traditionelle Dampfbad, ist ein fester Bestandteil der marokkanischen (arabischen?) Kultur. Er dient nicht nur der Körperpflege, sondern ist auch ein sozialer Treffpunkt und ein Ort der Entspannung. Hammams haben eine lange Geschichte und gehen auf die römischen Badehäuser zurück, die von den Arabern irgendwann übernommen und weiterentwickelt wurden.
Okay, wir finden es nicht gerade toll, halbnackt, schwitzend und ohne Brille nahezu im Blindflug soziale Kontakte zu pflegen. Aber so ganz ohne? Irgendwie auch nicht. Also suchen wir uns eine Massage für Gerd und für uns Mädels eine Pediküre raus: Schliesslich haben wir fast so eine Art Tradition, einmal in gemeinsamen Ferien zusammen hübsche Füsse «machen lassen».
Während sich also Gerd einer zauberhaften Massage widmet und nachher tiefenentspannt – also noch tiefenentspannter, als er eh schon immer ist – zu uns kommt, jammere ich, also eigentlich nur ich, vor mich hin. Regula hatte mehr Glück mit ihrer Pediküre, meine scheint ihre Ausbildung in einem Schlachtereibetrieb absolviert zu haben. Mit einer knochenharten Feile raspelt sie erst die fast nicht vorhandene Hornhaut von den Fersen, nur um dann wenig später den gesamten Fuss, den Spann, die Innenseiten, die kleinen sensiblen Zehen mit ebendiesem Mörderding abzuschleifen. Ich rufe noch «Aua!» woraufhin sie lacht und einfach weitermacht!
Im Anschluss habe ich zwei Schuhgrössen eingespart. Okay, man muss lernen, die positiven Seiten zu sehen. Aber, wie alles im Leben, hat es auch etwas Gutes: Meine Pediküre-Dame kann massieren, was Regulas eben leider gar nicht kann. Meine Stunde schlägt, ich gleite tiefer in das Sofa und kann nun geniessen. Hätte ich der Dame noch vor fünf Minuten kein Fünkchen Gefühl zugesprochen, massiert sie göttlich. Im Geiste nehme ich alle Flüche zurück und bitte inständig, dass sie nie aufhören soll!
Dass der Nagellack vertrocknet ist, die ach so tolle Arganöl-Massage wohl eher eine Vaseline-Schmiere ist und wir nach der Stunde wenig entspannt sind, hat eines als Ergebnis: Wir beide haben noch nie während einer Pediküre so viel gelacht! Mal aus Verzweiflung, mal aus Freude. Und ganz bestimmt am meisten aus Verwunderung!
Kein Link, ich will nicht verantwortlich sein für weitere Massaker.



Merci fürs «Mitreisen»
Du denkst, unsere Reiseerlebnisse könnten auch andere interessieren? Dann kannst du den Beitrag ruhig teilen. Per E-Mail oder wie du das auch immer möchtest.
Ausserdem kannst du, falls du es noch nicht getan hast, unseren Newsletter abonnieren. Hier bekommst du immer, wenn wir etwas Neues veröffentlichen oder einmal die Woche freitags alle unsere Erlebnisse in deine Mailbox: leben-pur.ch/newsletter
Wir freuen uns auch sehr über deine Ansichten, deine Tipps oder deine Fragen. Kommentiere doch einfach auf den Beitrag!Vortrag Kamele, Kulturen & viele Kontraste Leben-pur reisen mit dem Camper durchs geheimnisvolle Persien
05.06.26; 20.30 Uhr Beim Sahara-Club-Treffen in Westhofen / Rheinland-Pfalz Sowie man sich anmelden kann, teilen wir den Link hier.