Finnland – Selbstfreundschaft

Finnland – Selbstfreundschaft Lesedauer etwa 5 Minuten.

So, heute wird es etwas nachdenklich. Denn wie so oft geht es auch uns nicht immer nur gut: auch uns trifft das Leben mal auf seiner mühsamen Seite an: es wird im Freundes-, Bekannten und Kundenkreis gestorben (und gerade echt nicht wenig – liegt es unserem Alter oder ist da irgendwas gerade speziell?), es gibt familiäre Erwartungs-Begehrlichkeiten und zudem kommen wir nun in ein Alter, da unsere Körper uns mit hormonellen Cocktails ungefragt «verwöhnen». Also wieder einmal Zeit, ein bisschen nachzudenken.

Wenn wir nämlich erzählen, dass wir reisen – sei es in beruflichen Gesprächen oder beim Treffen mit anderen Menschen unterwegs – staunen alle. Sie fragen, wie wir das machen und unser Leben organisieren. Unser Alltag wirkt beneidenswert frei. Ist es auch. Meistens.

Seit fast fünf Jahren sind wir nun unterwegs. Wir leben rund um die Uhr zusammen, reisen und arbeiten zwei bis drei Tage pro Woche remote. Wir sitzen zum Arbeiten in einem Kastenwagen, kämpfen teilweise mit schlechtem Internet und hier in Finnland über uns herfallende Mücken. (Also schliessen wir die Tür, statt in der frischen Luft zu sitzen.) Wir finden uns in Supermärkten nicht zurecht und uns fehlt (echter) Kontakt zu unseren lieben Menschen. Aber: Wir stehen auch an schönsten Stränden, in wundervollen Wäldern und lieben das Knistern des Lagerfeuers am Abend.

Ja, wir lieben das. Aber wir nehmen uns auch selbst mit. Jeden Tag. Überallhin.

Auch auf Reisen holt uns eben das Leben ein. Oder einfacher gesagt: es ist das Leben. Mit all den Erwartungen, den inneren Ansprüchen und den kleinen Dramen des Alltags. Auch auf Reisen sind Stimmungsschwankungen präsent, mal sind wir müde, mal traurig. Auch Erwartungen sind nicht ohne: «Du rufst so selten an!» «Schreib doch mal wieder eine Postkarte!» «Wie, ihr seid in Finnland und ihr wart nicht am Nordkap?»

Wir merken: Freiheit bedeutet nicht, alles zu machen, sondern sich klarzumachen, was man nicht machen muss. Keine Bucket Lists, keine ewigen Erklärungen, warum wir dieses Museum nicht besucht oder jenen «must-see»-Spot ausgelassen haben. Wir lassen uns treiben. Nicht, weil wir planlos sind, sondern weil wir genug haben von der Idee, dass man auch auf Reisen etwas leisten muss.

Was tun wir stattdessen? Nachdenken. Loslassen. Neu sortieren. Miteinander reden. Und immer aufschreiben, was uns bewegt. Das tut ganz besonders mir sooo gut.

Auch bei uns gibt es diese Tage: Vollgestopft mit Aufgaben, Terminen, neuen Orten, neuen Eindrücken – und abends fragen wir uns, wie wir in diesem vollen Tag eigentlich nicht vorgekommen sind. Wie kann ein Kalender voll sein – und das Leben sich trotzdem leer anfühlen? Hört sich merkwürdig ab, ist aber auch bei uns so. Und ja, es ist natürlich nicht das Leben, aber in jenen Momenten neigen wir dazu, gleich mal das ganze Leben leer zu finden. Was natürlich nicht stimmt, was natürlich nur eine Momentaufnahme ist. Klar.

Ja, manchmal sind wir auch traurig. Einfach so. Ohne konkreten Anlass. Mitten im schönsten Sonnenuntergang, zwischen Meeresrauschen und Lagerfeuer. Weil da irgendwo zwischen all den Eindrücken eine leise innere Leere auftaucht. Weil sich das Leben manchmal trotz all der Möglichkeiten seltsam unberührt anfühlt. Und weil Glück eben kein Dauerzustand ist – auch nicht im Van oder unter der Mitternachtssonne.

Auch wir kennen das Gefühl, nur noch zu funktionieren. Morgens der erste Blick aufs Handy. Mittags essen im Gehen. Abends noch «schnell die Mails erledigen». Und irgendwo dazwischen verliert sich das Wesentliche: Wir selbst. Vielleicht beginnt es genau dort, bei den kleinen Momenten, in denen wir innehalten. Fünf Minuten ohne Ziel spazieren. Ohne To-do-Liste. Ohne Selbstoptimierung.

Ganz ehrlich: Wir haben lange versucht, unser Leben wie ein Projekt zu behandeln. Produktiver, strukturierter, besser organisiert. Aber irgendwann merken wir: Wir sind keine To-do-Liste. Wir sind Menschen. Wir dürfen müde sein. Erschöpft. Unperfekt.

Gerade Frauen spüren das oft besonders. Wir halten so viel zusammen – emotional, mental, organisatorisch. Und wenn es zu viel wird, denken wir oft: «Ich muss nur besser mit mir umgehen.» Ein weiteres Buch lesen. Noch gesünder essen. Noch achtsamer sein. Aber vielleicht ist Erschöpfung kein persönliches Versagen. Vielleicht ist sie ein Signal. Ein stiller Hinweis darauf, dass wir zu viel leisten und zu wenig bei uns sind. Und dass wir aufhören dürfen, uns ständig zu verbessern.

So üben wir uns gerade in etwas anderem: Mehr Selbstfreundschaft. Mehr Raum für das, was uns guttut. Weniger Pflicht, mehr Gefühl. Und diesen Gedanken lassen wir nicht mehr los: Selbstfreundschaft. Nicht irgendwann. Sondern jetzt. Und hoffentlich immer.


Und wenn du dich auch manchmal so fühlst: Du bist nicht allein. Vielleicht ist jetzt genau der richtige Moment, um kurz stehenzubleiben. Nicht um etwas zu leisten, sondern um zu spüren: Was brauche ich gerade wirklich? Was darf weniger werden? Und was möchte ich mehr in mein Leben holen?

Denn am Ende – ist das nicht genau der Kern vom Reisen, vom Leben, von allem? Nicht nur neue Länder zu entdecken. Sondern eigentlich sich selbst.


Was uns in solchen Momenten trägt: Wir haben einander. Und wir wissen, dass auch Menschen, die allein reisen oder leben, oft irgendwo eine helfende Hand, ein offenes Ohr oder ein mitfühlendes Herz finden – manchmal unerwartet, manchmal ganz leise, aber immer da, wenn man sie es am meisten brauchen.

Wir sind dankbar, diesen Weg gemeinsam zu gehen. Dankbar dafür, dass wir miteinander sprechen können, wenn das Herz schwer wird. Dass jeder von uns den Raum bekommt, den er oder sie gerade braucht und die Unterstützung, die hilft.
Nicht immer perfekt. Aber ehrlich und nah.

Hier noch ein Lese-Tipp fürs gute Leben, denn auch wir sind immer dran, zu schauen, dass es uns gut geht: https://www.leben-pur.ch/das-gute-leben-wie-soll-das-gelingen/

Finnland –  Selbstfreundschaft

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Ute Herbst
Ute Herbst
3 Monate zuvor

Liebe Heike, lieber Gerd, das berührt mich gerade sehr, sehr schön geschrieben. Ich wünsche euch weiterhin viele schöne gemeinsame Stunden und egal wo ihr seid und was ihr tut, alles Gute und ganz liebe Grüße Ute

Rachel
Rachel
3 Monate zuvor

Hallo ihr zwei.

Welch wahre Worte.
Ich habe nichts hinzuzufügen.
Nur festgestellt, dass ich – nicht mehr auf Reisen, oder wenig – trotzdem nicht in der Lage bin mein Leben zu „meinem“ zu machen.
Inzwischen in Rente, sollte ich mehr Zeit haben für die schönen Dinge des Lebens.
Klar, an 2 Tagen arbeite ich noch.
Bleiben noch 5 pro Woche.
Und ich habe das Gefühl viel zuviel zu machen und dennoch zu wenig.
Zu wenig für mich und meine Seele.
Ob ich das noch lerne? 🤔
Ich bin nur noch wenig im Netz, weil’s meine Zeit zusätzlich frisst.
Aber ich freue mich, mal wieder bei euch vorbei geschaut zu haben.
Es ist immer eine Bereicherung für mich.
Dankeschön, dass ihr euer Leben und eure Gedanken mit mir/ und teilt.

Weiterhin gute Reise
Herzlichst
S’Racheli 😉