Finnland – Familienfehden & Mückentanz: Louhisaari Manor

Finnland – Familienfehden & Mückentanz: Louhisaari Manor Lesedauer etwa 6 Minuten.

Für unsere Newsletter-Leser und -Leserinnen: wir haben gerade zwei Wochen Besuch unserer Freundin und wir geniessen die gemeinsame Zeit sehr. Dennoch bringt sie meine Schreibroutine komplett durcheinander. Also die gemeinsame Zeit, nicht unsere Freundin. Heisst: ich komme einfach kaum zum Schreiben. Dafür sammle ich mehr Erlebnisse zum Niederschreiben für die «Zeit danach».


Manchmal stolpert man von der verrückten Gegenwart – in unserem Fall das Bonk-Museum und sein skurriler Maschinenpark – direkt in die ehrwürdige Vergangenheit. Der Sprung von blinkenden Fantasie-Apparaten zu einem Schloss wie Louhisaari ist grösser als gedacht, besonders wenn die Mittagshitze jede Bewegung zur Herausforderung macht und man in einem Van mit riesigen Fenstern unterwegs ist, durch die die Sonne erbarmungslos auf uns scheint und uns aufheizt. 

Plötzlich taucht am Ende der Birkenallee das Louhisaari Manor auf – eine strahlend weisse Fassade, eingebettet in einen wirklich englischen Park. Der erste Gedanke: Sind wir noch in Finnland oder gerade irgendwo in Südengland gelandet? 

Die Stille hier ist besonders, fast ehrfürchtig. Ein paar Bienen summen um die Blüten im Obstgarten, der Wind raschelt durch die alten Birken. Kaum angekommen, erwartet uns eine junge Schlossführerin, die uns im Kleid vergangener Jahrhunderte ebenso freundlich wie charmant durch die Geschichte navigiert. 

Im Inneren erwarten uns hohe Räume, schwere Holztüren und prunkvoll dekorierte Salons – noch im Stil vergangener Jahrhunderte, das Knarzen der Dielenbretter in der Luft. Fast können wir uns vorstellen, wie hier die Mitglieder der Familien Fleming und Mannerheim einst ihre Teezeit verbrachten, durch die Fenster hinaus in den Park blickend. 

Die Atmosphäre im Herrenhaus, mit seinen prachtvollen Himmelbetten, den zarten Seidentapeten und den kühlenden Steinböden, entfacht sofort ein lebhaftes Kopfkino: Wie würde wohl ein Hauch von Louhisaari in den eigenen vier Wänden ab 2026 wirken? Grosszügige Holztruhen für Bettwäsche, hinter Vorhängen versteckte Himmelbetten – eine Szenerie wie aus einem Märchen. Doch dann meldet sich prompt unsere minimalistische Seite: Schon bei der blossen Vorstellung, eine schwere Truhe aufzustellen, zu dekorieren und dann vielleicht darin ein einsames Set Wechsel-Bettwäsche zu verstauen, müssen wir schmunzeln. Das Auge verliebt sich gern in alte Details, die Phantasie schlägt Purzelbaum und der praktische Sinn bremst uns zuverlässig.

Spuren der Geschichte 

Mehr als dreihundert Jahre war Louhisaari im Besitz der Familie Fleming – eine unvorstellbar lange Zeit. Wir stellen uns vor, wie sich das Leben hier Jahrhunderte lang abspielte, fern der grossen Politik, aber doch immer wieder im Zentrum wichtiger Entscheidungen. Von 1795 bis 1903 gehörte das Gut dann der Familie Mannerheim – und hier, im Jahr 1867, wurde der spätere Marschall von Finnland, C.G.E. Mannerheim geboren. 

Wer hätte damals ahnen können, welche Rolle dieser Ort in der Geschichte einnimmt? Im Park mit den akkurat geschnittenen Hecken und dem wundervoll verwilderten kalmianischen Kräutergarten aus dem 18. Jahrhundert (übrigens benannt nach dem Botaniker Pehr Kalm aus Åbo) schweifen unsere Gedanken weit zurück. Wie viele Feste, Sorgen, Freuden und Abschiede mögen diese Mauern wohl erlebt haben? 

Wir erfahren ebenso, dass die Herren des Hauses gar nicht so glücklich mit dem Anwesen gewesen waren. War es schliesslich schwer beheizbar, verbrachte man hier eigentlich nur die kurzen Sommer. Zudem sah es einer der Hausherren (den Namen habe ich vergessen) eher als Schmach, hier hausen zu müssen. Gern wäre er lieber irgendwo in der prunkvolleren, illusteren Welt statt im doch eher langweilig anmutenden Finnland unterwegs gewesen. Aber so wie es scheint, wurde er mit der Aufsicht der hiesigen Region betraut. 

Nach dem ausführlichen Rundgang zieht es uns hinter das Herrenhaus, hinein in den weitläufigen Garten. Der Plan: alles in Ruhe nachklingen lassen, die vielen Eindrücke sortieren – und vor allem endlich ein bisschen Abkühlung im Schatten der mächtigen Bäume finden. Die Luft flirrt vor Sommerhitze, irgendwo zirpt eine Grille, und über den perfekt getrimmten Rasenhügeln hängt eine angenehme Trägheit. Wir seufzen erleichtert, geniessen für einen Moment den weichen Platz auf einer Gartenbank.

Doch kaum lassen wir uns tiefer in die Ruhe sinken, bemerken wir: Nicht nur wir finden diesen Fleck wunderbar. Die Finnen sprechen gern davon, dass ein Sommer ohne Mücken kein richtiger Sommer ist – und das trifft hier hinter Louhisaari mit voller Wucht zu. Kaum sitzen wir im Schutz der Bäume, sirrt und summt es, und unzählige, offenbar ausgehungerte Mücken und die noch schlechter gelaunten Bremsen machen deutlich: Hier ist niemand lange allein. Tapfer fächern wir uns Luft zu, klopfen auf Knie und Waden, wechseln locker in ein sommerliches Mückentanz-Ritual über – auch irgendwie ein Stück finnisches Kulturgut. 

Am Ende schmunzeln wir über unsere etwas trostlose Flucht zurück zum Van – und nehmen die Erinnerung an Louhisaari nicht nur voller Geschichte, sondern auch mit einer dezenten Portion Juckreiz mit auf die weitere Reise.

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