Iran – Und manchmal kommt alles ganz anders

Iran – Und manchmal kommt alles ganz anders

Vorneweg für alle, die den täglichen Newsletter vermissen: Wir erleben gerade so viel, es ist Nowruz (persisches Neujahr) und mein Körper hat beschlossen, mich ein paar Tage mit Magenweh und Schlappigkeit nichts machen zu lassen. Jetzt geht es mir aber wieder gut und so langsam fange ich an, das Erlebte niederzuschreiben. Und ja, wir sind sicher schon ein, zwei, drei Wochen hintendrein. Aber um so schöner ist es, mit einer wundervollen Geschichte zu starten.


Es fängt ziemlich blöd an. Eigentlich müssen wir arbeiten, aber wir finden keinen geeigneten Platz. Fahren erst mal weiter. Irgendwann rufe ich: «Hier habe ich Empfang!», wir parken und bauen unser Büro auf. Nur um eine halbe Stunde später vom Militär weggeschickt zu werden. Wir stehen sehr ungünstig, wir sollen bitte weiterfahren. Freundlich, aber bestimmt. Klar, machen wir natürlich sofort.

Wir rollen weiter, so richtig will sich kein Arbeitsmodus einstellen, hier passt es mir nicht, dort haben wir keinen Empfang. Irgendwann, in einem kleinen Dorf dann die Rettung: Mittagspause in einem Restaurant. Es sieht blitzsauber aus und hat Tische. Zwei Tische.

Also bestellen wir uns etwas zu essen und als wir merken, dass wir so ziemlich die einzigen Gäste sind, fragen wir, ob wir hier ein bisschen auf unseren Laptops klappern dürfen. Natürlich dürfen wir, zu unserer Bestellung kommen weitere unbestellte Snacks, Getränke, noch ein Tee. Und noch einen. Iranische Gastfreundschaft par excellence. Plötzlich ist auch das Restaurant voller Familienmitglieder, alle wollen ein Foto mit uns und wir werden eingeladen. Nach Hause. Mama und Schwestern würden sich so freuen, uns zu sehen.

Also klappen wir unsere Rechner früher als sonst zu und fahren der Autokolonne hinterher. Nur um wenige Minuten später in einen Innenhof zu treten, wo wir herzlich mit Tee, Obst und Knabbereien empfangen werden. Natürlich schlafen wir hier, so einfach lässt man uns nicht gehen. Wir schaffen es gerade noch zu erwirken, dass wir in unserem Felix am besten schlafen. Und: Wir dürfen nicht auf der Strasse schlafen, nein, wir müssen in den Hof. Das sei sicherer. Was natürlich Quatsch ist, wir sind in irgendeinem Dorf am Ende einer Sackgasse, was soll da bitte stören? Aber ist unser Felix ist eh ein paar Zentimeter zu hoch, also bleiben wir draussen.

Die Mama fragt, ob wir selbstgebackenes Brot wollen. Wissen wir nicht, aber wir sagen, wir probieren alles. So versammelt sich die ganze Familie, ein paar Schwestern und Brüder, Mama und Cousins und Cousinen um das Feuer auf dem Teppich in der Küche. Wir mittendrin. Das Brot wird auf einer umgedrehten Wok-Pfanne gebacken, Fischsauce (glaube ich) und Olivenöl verfeinern es noch. Der Reihe nach knabbern wir frisch gebackenes Brot direkt aus der Hand der Mama. Es wird geplaudert, gescherzt, gelacht. Ab und zu verstehen wir ein Wort, einige Familienmitglieder sprechen Englisch. Es wird nur recht wenig hin und her übersetzt, für unsere auf die geordneten Schweizer Tischregeln getrimmten Nerven das reinste Chaos. Und das Beste daran: Es gefällt uns!

Unsere Gedanken schweifen ab: «Sprich nicht mit vollem Mund!» «Lass die anderen zuerst ausreden!» «Darf ich bitte ausreden?» «Beide Hände auf den Tisch!» Und noch mehr Sätze fallen uns ein. Und auch der damit verbundene Stress, der Ärger kommt uns in den Sinn. Und hier? Ein wildes Hin und Her, alle reden gleichzeitig, es wird gelacht, gekocht, gegessen, geredet, gekrümelt, alles gleichzeitig. Und wir haben keinen Moment das Gefühl, dass sich jemand unwohl fühlt. Und wir fragen uns, ob wir nicht manchmal zu streng, zu steif, zu uncool leb(t)en.

Doch diese Gedanken sind nur von kurzer Dauer, denn Abwechslung scheint hier Programm zu sein. Schon werden wir ins Wohnzimmer gebeten, auf dem Teppich stehen Tee, Obst, Datteln und andere Leckereien. Ich hole mein Strickzeug heraus, die Älteste ihre Sticksachen. Schwestern im Geiste sozusagen. Draussen wird es plötzlich laut, ich höre eine Flex, es wird gehämmert. Gerd wird herausgerufen. Und ist fassungslos. Die Männer der Familie flexen tatsächlich die obere Toreinfahrt weg, schliesslich wollen sie, dass wir in den Hof fahren. Da haben sie so ein schönes Tor und sie sägen einfach den oberen Teil weg! Meine Güte, das ist doch wirklich nicht nötig. Aber zu spät, das Tor ist bereit, Gerd muss jetzt hineinfahren.

Felix steht jetzt mitten auf dem Hof, wir dürfen duschen und verbringen den Abend im Wohnzimmer mit der Familie. Irgendwann kommt der Koch des Restaurants, erklärt der Familie, dass man in Europa früh zu Bett geht und bittet uns, nicht so lange wach zu bleiben, wenn wir es nicht gewohnt sind. Wir sollen ruhig schlafen gehen, sie wären nicht traurig. Morgen ist schliesslich auch noch ein Tag! Und übermorgen auch noch einer. Offensichtlich geht die Familie davon aus, dass wir länger bleiben werden. Und sie werden recht haben.
Bezüglich der Fotos: Wie immer: ich hab nicht viel fotografiert und wir haben auch nicht von allen ein OK für die Veröffentlichung.

leben pur

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Iran – Und manchmal kommt alles ganz anders

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Merci fürs «Mitreisen»

Wir überlegen, im Sommer wieder eine Reisepause zu machen und unsere Familien in Deutschland und der Schweiz zu besuchen. Mit dabei ist eine Idee, einen Vortrag über unsere lange Reise bis an den persischen Golf vorzubereiten. Falls Ihr Lust hättet, was würde euch am meisten interessieren? Hier werden wir auch Geschichten erzählen, die hier auf dem Blog keinen Platz finden. Wir denken an den Raum Bern und Berlin – einfach, weil wir da Familie haben. Aber auch andere Orte wären vorstellbar. Schreibt uns gern.

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