Lesedauer etwa 9 Minuten.
Erholt und voller Tatendrang starten wir in ein neues Abenteuer. Unser treuer Begleiter, Felix, bekommt nach Monaten endlich eine gründliche Wäsche. Der Wüstensand muss weichen, denn innen wie aussen gleichen wir einer Wanderdüne. Trotz täglicher Bemühungen, den Staub zu vertreiben, bleibt der Erfolg mässig. Irgendwann wird es uns egal, und wir verwandeln uns in verlotterte Abenteurer.
Unseren Freunden in der Heimat dürfen wir das natürlich nicht erzählen, sonst denken sie noch, wir steigen komplett aus. Aber keine Sorge, das haben wir nicht vor – zumindest vorerst nicht.
Felix glänzt wieder, nachdem er mehrfach eingeschäumt wurde. Die Fenster strahlen, und auch innen haben wir einen Zustand hergestellt, der zumindest annähernd als normal durchgeht. Was auch immer das bedeuten mag!
Unsere Reise führt uns entlang der «Strasse der Kasbahs». Links und rechts locken die imposanten Festungen, doch wir sind ehrlich gesagt etwas Kasbah-müde. Nach zahlreichen Besichtigungen verliert selbst die schönste Kasbah ihren Reiz. Uns zieht es in die Natur. Zunächst geht es ins Tal der Rosen. Schnell merken wir, dass keine Rosenblüte-Zeit ist. Die Sträucher sind kahl, ohne Laub, Knospen oder Blüten. Die einzige Rose, die blüht, ist jene auf dem Kreisverkehr.
Also kehren wir um und machen eine Kaffeepause. Auf dem Wochenmarkt im nächsten Städtchen schlendern wir umher und trinken den üblichen Tee. Als ich dann noch Kaffee bestelle, rast mein Herz wie verrückt. Ich bin sicher, dass ich die nächsten Tage kein Auge schliessen werde. Noch nie habe ich so starken Kaffee getrunken. Doch es stellt sich heraus, dass es gut ist, so wach zu sein. Der Tag wird noch spannend und vor allem lang!
Auf dem Bazar kaufen wir neues Amlou, das köstliche Arganöl-Mandel-Mus. Unser Kilo-Glas ist bereits leer. Wie das passieren konnte, wissen wir selbst nicht. Vermutlich nächtliche (und tägliche) unkontrollierte Nasch-Attacken.













Nun geht es hinein in die Dadès-Schlucht. Sie erstreckt sich zwischen dem Hohen Atlas und dem Jbel-Saghro-Gebirge und ist bekannt für ihre beeindruckenden Felsformationen, tiefen Schluchten und spektakulären Farben. Genau unser Ding!
Das Tal wurde über Millionen von Jahren durch die Erosion des Dadès-Flusses geformt, der sich seinen Weg durch Sedimentgesteine und Kalksteinplatten gebahnt hat. Die Felsen stammen überwiegend aus dem Mesozoikum (na, wer weiss, wann das war?) und bestehen hauptsächlich aus Sandstein, Schiefer und Kalkstein. Besonders charakteristisch sind die rötlichen und ockerfarbenen Felsen, die durch Eisenoxidverbindungen ihre intensive Farbe erhalten.
Ein geologisches Highlight sind die sogenannten «Affenpfoten» (französisch: Les Doigts du Singe), eine Felsformation, die durch Wind- und Wassererosion bizarre, abgerundete Formen angenommen hat. Auch die tief eingeschnittenen Schluchten, wie die Dadès-Schlucht, zeigen die Kraft der geologischen Prozesse, die diese Landschaft geformt haben.
Die Landschaft ist geprägt von einem Wechselspiel aus schroffen Gebirgen, grünen Oasen und trockenen Felswüsten. In den fruchtbaren Oasen entlang des Flusses gedeihen Dattelpalmen, Feigenbäume und Mandelbäume. Die Berber-Dörfer mit ihren traditionellen Lehmhäusern fügen sich harmonisch in die Umgebung ein.
Unsere beiden Reiseführer erzählen von einer spannenden Fahrt bis zu beeindruckenden Serpentinen. Danach sei die Strasse nur noch eine Piste und irgendwann höre sie gänzlich auf. Auf YouTube sehen wir Ähnliches, nur mit 4×4 käme man dort weiter. GoogleMaps sagt: zwei Stunden und ihr seid über den Pass. Unsere Idee ist nämlich, die Dadès-Schlucht gen Norden zu fahren und dann die Todra-Schlucht, eine ebenso eindrucksvolle Schlucht, wieder hinunterzufahren, um zurück auf die «Strasse der Kasbahs» und in Richtung Merzouga zu gelangen. Google sagt, das sei alles easy, aber unsere Marokko-Kontakte meinen, das geht nicht.
Was denn nu?
Wir machen es wie immer: abwarten und Tee trinken. Nach den berühmten Affenfelsen und der wirklich tollen Serpentinenfahrt hoch in die Berge stehen wir nun in einem Panorama-Café. Eine Motorradfahrer-Truppe mit dicken Maschinen befrage ich: «Nein, da geht gar nichts!» «Aber ihr habt doch genau die richtigen Maschinen für Offroad!» «Nein, da geht nichts, wirklich nicht! Noch nicht mal mit unseren Offroad-Maschinen!»
Hier tritt ein Widerstands-Gen in mir zutage, das sich immer wieder mal zeigt: Ich lasse mir doch von anderen nicht sagen, was geht und was nicht! Erst, wenn ich es selbst sehe, glaube ich es. Ich schaue Gerd an und wir beschliessen: Wir fahren, soweit wir können. Umkehren können wir ja jederzeit!
Ein Taxifahrer, der die Region kennen sollte, meint, wir könnten noch 3 Kilometer fahren, später sagt er 30, danach ginge nichts mehr. (Marokkaner und Zahlen, das ist ein ganz anderes Thema!) Ein Souvenirverkäufer meint, wir könnten fahren. Mit einem Blick auf sein klappriges Mofa denke ich noch, ja, der kommt sowieso überall durch.
Also fahren wir weiter. Und hier beginnt die wahre Schönheit dieser Region! Die Strasse ist nicht gut, aber befahrbar. In den Dörfern winken uns die Kinder zu, die Männer staunen, wie wir durch die Schlaglöcher schlingern. Ja, in den Dörfern sind die Strassen wirklich schlecht, aber hier wissen wir, dass die Menschen mit vereinter Kraft unseren Felix aus jedem knietiefen Schlammloch schieben würden.
Auf meinem Navi, meiner Papierkarte und allen möglichen anderen Karten endet gleich die Strasse. Ich warne Gerd vor, dass wir gleich umkehren müssten. «In 500 Metern sollten wir uns nach einem Wendeplatz umschauen», sage ich noch. Eine Polizeikontrolle – wir halten einfach mal an, um zu fragen, ob wir nach Agoudal kämen – nickt lässig. Kein Problem, nur oben auf dem Pass liege Schnee. «Wir haben Winterreifen drauf und Schneeketten dabei», lächelt Gerd den Polizisten an, und der freut sich darüber, vermutlich jedoch weiss er nicht einmal, dass es Winterreifen und Schneeketten für PKWs und Camper gibt.
«Gleich, jetzt noch 100 Meter, dann endet die Strasse!» Wir fahren weiter und meine Prophezeiung wird wahr, also so halb: Die Strasse endet, also die rumpelige und schlaglochreiche. Wir rollen auf eine arschglatte, frisch asphaltierte, nigelnagelneue Bergstrasse. Und das geht gute 30 Kilometer so. Bester Asphalt. Kein Verkehr, weder von vorne noch von hinten, wir ganz allein in den schönsten Bergen. Wir halten ständig an, bestaunen die Gegend, die schneebedeckten Gipfel und die palmengrünen Täler. Heute Morgen noch im Kleidchen vom Campingplatz gewesen, jetzt mit Winterpulli und Mütze im Winter angekommen. Auf etwa 3000 Metern überqueren wir den Pass, der hier Tizi n’Ouano heisst, steigen aus, stapfen im Schnee und sind irgendwie ganz verzückt!
Doch es war ein langer Tag, wir sind müde und wollen irgendwo in Ruhe schlafen. Die Wettervorhersage spricht nochmal von Regen oder eben Schnee hier oben, also fahren wir noch ein kleines Stück weiter, da wir vermuten, dass am Morgen, sollte es schneien, die Strassen nicht Schweiz-gleich geräumt werden. So kommen wir in einer kleinen Herberge unter, werden mit frischem Tee verwöhnt und dürfen auf 2800 Metern über dem Meeresspiegel auf dem Herbergs-Parkplatz schlafen. Wir kochen uns etwas Schönes, und Gerd fällt todmüde ins Bett.
Ich würde auch gern schlafen, bin auch irgendwie müde, aber der Kaffee heute Mittag wirkt immer noch. So lese ich stundenlang, stricke, nasche vom neuen Amlou, lese wieder… Und irgendwann, gegen Mitternacht, fallen auch mir die Augen zu.
Yessss! Manche Tage sind einfach geiler als andere! (Sorry, Mama, ich weiss, geil sagt man nicht.) Was für ein Tag, was für eine Freude! Und was für eine unglaubliche Landschaft! Und was für eine Strasse!
PS.: Ach, die vielen Schlaglöcher, die überall schön mit einer Lehm-Regen-Mischung gefüllt sind, haben aus unserem frisch gewaschenen Schatz gleich wieder einen Dreckspatzen gezaubert. Oder, anders ausgedrückt: ein Adventure-Mobil!























Merci fürs «Mitreisen»
Du denkst, unsere Reiseerlebnisse könnten auch andere interessieren? Dann kannst du den Beitrag ruhig teilen. Per E-Mail oder wie du das auch immer möchtest.
Ausserdem kannst du, falls du es noch nicht getan hast, unseren Newsletter abonnieren. Hier bekommst du immer, wenn wir etwas Neues veröffentlichen oder einmal die Woche freitags alle unsere Erlebnisse in deine Mailbox: leben-pur.ch/newsletter
Wir freuen uns auch sehr über deine Ansichten, deine Tipps oder deine Fragen. Kommentiere doch einfach auf den Beitrag!Vortrag Kamele, Kulturen & viele Kontraste Leben-pur reisen mit dem Camper durchs geheimnisvolle Persien
05.06.26; 20.30 Uhr Beim Sahara-Club-Treffen in Westhofen / Rheinland-Pfalz Sowie man sich anmelden kann, teilen wir den Link hier.