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Wir tauchen ein in den Zauber und die Mythen der Blauen Stadt. Nach einer malerischen Wanderung schlängeln wir uns durch das Gebirge, vorbei an kleinen, verfallenen Dörfern und einer riesigen Müllhalde, die von hübschen Vögeln bevölkert wird, die sich hier vom Abfall der Gesellschaft ernähren. Und plötzlich stehen wir vor dem Campingplatz, den ich für uns ausgesucht hatte.
Ich hatte ihn mir klein und gemütlich vorgestellt. Stattdessen reihen sich hier bestimmt hundert Camper in einem schönen Wald, aber dennoch parkplatzähnlich nebeneinander. Unsere Regel hat sich wieder einmal bestätigt: nie zu spät ankommen, denn ab 16 Uhr ist der Platz voll und Camper werden abgewiesen. Puh, nochmal Glück gehabt!
Chefchaouen selbst zieht uns mit seinem einzigartigen Charme sofort in den Bann. Sobald wir durch die engen, verwinkelten Gassen der Altstadt schlendern, umgibt uns ein Meer aus Blau – Häuser, Türen, Treppen, selbst Blumentöpfe leuchten in zahllosen Blautönen. Es fühlt sich an, als würden wir durch eine Filmkulisse spazieren.
Der Zauber der blauen Fassaden
Die blaue Farbe ist das Markenzeichen von Chefchaouen und gibt der Stadt ihren Beinamen «Blaue Perle». Die Einheimischen erzählen sich, dass das Blau vor bösen Blicken schützen soll. Andere Mythen besagen, dass die Farbe an den Himmel erinnert und so die Menschen näher zu Gott bringt. Historisch gesehen kamen viele der heutigen Bewohner als Flüchtlinge aus Andalusien und brachten nicht nur ihre Architektur, sondern auch die Tradition der blauen Anstriche mit.
Die Stadt wurde 1471 als Festung gegen portugiesische Eindringlinge gegründet. Später, nach der Vertreibung der Muslime und Juden aus Spanien, fanden viele von ihnen hier eine neue Heimat. Lange Zeit galt Chefchaouen als heilige Stadt, die für Ausländer tabu war – bis ins 20. Jahrhundert durfte kein Europäer die Stadt betreten. Diese Legende half, die Stadt und ihre Kultur vor äusseren Einflüssen zu schützen und trug dazu bei, dass die mittelalterliche Architektur bis heute erhalten blieb.
Wir geniessen die entspannte Stimmung, die Chefchaouen von anderen marokkanischen Städten unterscheidet. Hier herrscht Gelassenheit. In den kleinen Läden der Medina finden wir handgefertigte Stoffe (sagen sie zumindest, ob es stimmt, werden wir nie erfahren), Töpferwaren und aromatische Gewürze. Auf einer Dachterrasse pausieren wir erst einmal, trinken unseren obligatorischen Minztee und frisch gepressten Orangensaft, während Gerd etliche Katzen füttert, die sich um uns scharen.
Die Kasbah leuchtet in der romantischen Abendsonne, doch wir entscheiden, sie nicht zu besuchen. Irgendwie sind wir mittlerweile Kasbah-müde. Aber auch das darf sein. Während wir nun schon beim zweiten – oder dritten? – Orangensaft in einem nächsten Café am Plaza El Hauta sitzen, den Blick immer auf das bunte Treiben gerichtet, denken wir darüber nach, wie unser Marokko-Trip wohl auf uns wirkt. Oder besser: nachwirkt.
Drei Dinge sind klar:
- Wir finden Marokko wunderbar. Wir sind sogar ein bisschen verliebt in Land und Leute.
- Wir hatten wieder mal Vorurteile, die wir indessen während der letzten etwa 10 Wochen abgelegt haben. Wer reist, macht sich das Leben schwer, wenn er Vorurteile im Rucksack hat.
- Wir kommen wieder, definitiv!
Weiter geht es durch Chefchaouen, wir nehmen uns ein paar Tage Zeit, immer und immer wieder durch die blauen Gassen zu bummeln. Ganz nebenbei waschen wir endlich mal wieder Wäsche auf dem Campingplatz, frühstücken vor unserem Felix mit Blick auf die Neustadt, die so gar nicht mystisch ist, und machen stundenlang einfach mal gar nichts. Auch das tut so gut!
Die zahlreichen Brunnen der Stadt, wie etwa am Plaza El Hauta, sind nicht nur praktische Wasserspender, sondern auch Orte, denen heilende und schützende Kräfte nachgesagt werden. Die Bewohner erzählen, dass das Wasser aus Chefchaouen besonders rein und gesund sei – ein Glaube, der sich bis heute hält. Natürlich waschen wir uns Hände und Gesicht hier, man kann ja nie wissen!
Die Stadt ist bevölkert mit Touristen. Sind wir doch die letzten Wochen durch einsamere Gegenden gekommen, treffen wir hier wieder auf alle möglichen Nationalitäten. Unsere Ohren lauschen spanischen, amerikanischen, asiatischen, deutschen und italienischen Stimmen. Irgendwie schade, und ebenso irgendwie schön.
Ein kleines bisschen Wehmut macht sich breit, denn Chefchaouen war von Beginn an unsere letzte Station in Marokko. Jetzt heisst es Abschied nehmen. Noch ein letztes Mal durch das wunderschöne Rifgebirge. Wer weiss, wie oft wir noch Minztee oder Orangensaft trinken werden? Wer weiss, wie oft wir noch über das bunte Treiben eines Gemüsemarktes staunen können?
Selten sind wir so traurig, ein Land zu verlassen, einen Reiseabschnitt zu beenden. Vor uns liegen noch zwei Arbeitstage in der Nähe der Fähre, vor uns liegt noch die Fährfahrt. Und der Blick auf das Wetter verrät uns, dass auch die Rückfahrt über das Mittelmeer ohne starken Wellengang verlaufen könnte. Hoffen wir mal das Beste!


























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