Deutschland, Polen, Litauen – Auf der Autobahn der Freiheit zum Berg der Kreuze

Deutschland, Polen, Litauen – Auf der Autobahn der Freiheit zum Berg der Kreuze Lesedauer etwa 6 Minuten.

Wir verlassen Brandenburg mit dem Ziel Tallinn. Schon bald sind wir in Polen. Die Grenze passieren wir in Frankfurt (Oder) und überqueren die für mich vertraute Oder-Neisse-Friedensgrenze. Tatsächlich war ich als Kind nicht oft in Polen – und Gerd, glaube ich, noch nie. Wenn man die zwei, drei Ausflüge zu einem dieser typischen Polenmärkte direkt hinter der Grenze nicht als echten Polenbesuch zählt.

Doch wir haben keine Zeit zu verlieren – vor uns liegen weit über 1.300 Kilometer bis nach Tallinn, und wir möchten zu den Weissen Nächten und zur Sommersonnenwende bereits in Finnland sein. Das bedeutet: Wir müssen das Baltikum, entgegen unserer sonst eher gemütlichen Reisegeschwindigkeit, in ein bis zwei Wochen durchqueren. Also entscheiden wir uns, durch Polen tatsächlich nur durchzurasen.

Wir nehmen die A2, die Autobahn der Freiheit. Schon auf deutscher Seite hatten wir immer wieder die Schilder gesehen. Und in Polen dann den Hinweis: Autostrada Wolności. Wir waren kurz irritiert – davon hatten wir noch nie gehört. Während Gerd fährt, beginne ich zu recherchieren und finde heraus:

Die Autobahn der Freiheit (polnisch: Autostrada Wolności), offiziell die A2, ist mehr als nur eine Strasse. Sie wurde 2014 anlässlich des 25. Jahrestags der ersten halbfreien Wahlen in Polen am 4. Juni 1989 so benannt – ein Meilenstein in der Geschichte des Landes. Die A2 ist Polens wichtigste Ost-West-Achse: Sie beginnt an der deutschen Grenze bei Frankfurt (Oder) (eigentlich schon am Dreeck Spreeau für Kenner!), führt über Posen und Łódź bis nach Warschau – und soll künftig bis zur belarussischen Grenze bei Kukuryki verlängert werden. Diese Autobahn steht symbolisch für den Wandel: für Polens Weg von einer kommunistischen Diktatur hin zur Demokratie, für die Rückkehr in den Westen, für europäische Integration. Für viele Polinnen und Polen ist sie ein Sinnbild der Selbstbestimmung – und eine Verbindung in die Freiheit.

Während sechs oder sieben Stunden Fahrt geniessen wir das Unterwegssein: Zweisamkeit, Ruhe, Austausch. Vielleicht sogar eine kleine Dosis Einsamkeit. Denn die letzten Wochen waren intensiv – viele Begegnungen, viele Termine. In der Schweiz hatten wir fast täglich etwas vor. In Berlin und Brandenburg standen wir auf dem Grundstück der Familie – schön, aber auch sehr viele Begegnungen. Jetzt ist es gut, einfach mal wieder Zeit für uns zu haben. Ich finde einen idyllischen Stellplatz an einem See. Allerdings habe ich nicht mit der Samstagabend-Jugend gerechnet, die dort laut feiern. Also fahren wir weiter – Schlaf ist uns heute wichtiger. So landen wir auf dem Parkplatz einer Schwimmhalle. Nicht besonders romantisch – aber funktional. Und als die Halle am nächsten Morgen um sieben öffnet, mache ich das völlig Unerwartete: Ich ziehe den Badeanzug an, schnappe mir ein Handtuch, schlüpfe in die Badelatschen und gehe schwimmen. Ein paar Bahnen. Dann Whirlpool. Und: Ich bin allein. Denn sonntags gehen die Polen zur Kirche – und nicht ins Schwimmbad.

Weiter geht’s nach Litauen. Irgendwann sind wir einfach in Litauen – ohne es zu merken. Die Tankstellenpreise stehen plötzlich in Euro, nicht mehr in Złoty. Ich frage Gerd vorsichtig, ob er Lust auf ein kleines «Besüchelchen» hat – zu einer besonderen Stätte. Er will eigentlich nur fahren. Aber ich darf uns eine Pause heraussuchen. Und so entscheiden wir uns für einen kurzen Abstecher: zum Berg der Kreuze.

Wir waren ein wenig überrascht – so recht hat uns der Ort nicht berührt. Vielleicht lag es an unserer Müdigkeit. Vielleicht daran, dass wir das «System Kreuz» dort nicht verstanden haben. Aber auch hier hilft ein kurzer Blick in die Geschichte: Der Berg der Kreuze (litauisch: Kryžių kalnas) bei Šiauliai ist ein beeindruckendes Symbol für Glauben, Widerstand und Identität. Bereits im 19. Jahrhundert stellten Angehörige von Gefallenen der polnisch-litauischen Aufstände gegen das zaristische Russland Kreuze auf. Während der sowjetischen Besatzung wurde der Ort mehrfach zerstört – zuletzt 1961. Doch immer wieder wurden neue Kreuze errichtet. Heute sind es über 100.000. Papst Johannes Paul II. besuchte den Ort 1993 und feierte dort eine Messe – ein starkes Zeichen.

Für uns: ein Ort der Bewegung, des Innehaltens, des Nicht-Verstehens. Und das ist auch in Ordnung. Und weiter geht es dann in Richtung Riga. Davon dann morgen mehr.


Quellen:

leben pur

leben pur

leben pur

leben pur

leben pur

leben pur

leben pur

leben pur

leben pur

leben pur

leben pur

leben pur

leben pur

leben pur

leben pur

leben pur

leben pur

leben pur

leben pur

leben pur

leben pur

leben pur


Merci fürs «Mitreisen»

Du denkst, unsere Reiseerlebnisse könnten auch andere interessieren? Dann kannst du den Beitrag ruhig teilen. Per E-Mail oder wie du das auch immer möchtest.

Ausserdem kannst du, falls du es noch nicht getan hast, unseren Newsletter abonnieren. Hier bekommst du immer, wenn wir etwas Neues veröffentlichen oder einmal die Woche freitags alle unsere Erlebnisse in deine Mailbox: leben-pur.ch/newsletter

Wir freuen uns auch sehr über deine Ansichten, deine Tipps oder deine Fragen. Kommentiere doch einfach auf den Beitrag!


Vortrag
Kamele, Kulturen & viele Kontraste
Leben-pur reisen mit dem Camper durchs geheimnisvolle Persien

05.06.26; 20.30 Uhr Beim Sahara-Club-Treffen in Westhofen / Rheinland-Pfalz
Sowie man sich anmelden kann, teilen wir den Link hier.

Leben-pur-Vortrag-Persien

 

Teilen:
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest

0 Kommentare
Älteste
Neueste Meist bewertet
Inline Feedbacks
Alle Kommentare anzeigen