Deutschland – Goseck: Das älteste Sonnenobservatorium der Welt und seine mystische Geschichte

Deutschland – Goseck: Das älteste Sonnenobservatorium der Welt und seine mystische Geschichte Lesedauer etwa 5 Minuten.

Wir stellen uns vor, wir schreiben das Jahr 4900 v. u. Z.

Keine Strassen, keine Häuser aus Stein, keine Smartphones, kein Internet. Nur der Himmel und wir. Und da, in einem kleinen Dorf in Mitteldeutschland, die erste grosse Errungenschaft: Eine gigantische Kreisgrabenanlage, die der Menschheit den Lauf der Sonne entschlüsselt. Das Sonnenobservatorium von Goseck. Fast 7.000 Jahre alt und immer noch voller Geheimnisse.

Wir haben eine Schwäche für Geschichten, in denen Menschen das Unmögliche möglich machen – und Goseck ist eine dieser Geschichten. Damals lebten hier Bauern, die alles andere als ungebildet waren. Sie wussten: Wenn die Tage kürzer wurden und die Kälte kam, musste man vorbereitet sein. Was aber, wenn du keine Uhr, keinen Kalender hast, der dir sagt, wann dieser Tag ist? Du baust dir eine Anlage, so präzise ausgerichtet, dass du den kürzesten Tag des Jahres nicht nur fühlst, sondern siehst: die Wintersonnenwende. 

Und was macht Goseck so besonders? Es ist das älteste Observatorium, das wir kennen, und es wurde mit einer solchen Genauigkeit gebaut, dass man es kaum fassen kann.

Es ist ein heisser Sommertag im Jahr 1991, als der Luftbildarchäologe Otto Braasch bei einem Flug über Goseck etwas Eigenartiges bemerkt: Eine kreisförmige Bodenverfärbung, die so regelmässig ist, dass sie kaum zufällig entstanden sein kann. Ein paar Jahre später beginnen die Ausgrabungen, und Stück für Stück kommt die Geschichte dieses unglaublichen Ortes ans Licht. Archäologen finden Gräben, Wälle, Palisadenringe. Alles so angeordnet, dass man schon damals nicht anders konnte, als zu staunen: Hier hatten Menschen «den Himmel festgehalten».

Aber die Funde erzählen noch mehr. Rinderknochen, sorgfältig bearbeitet, und in drei Gruben: Menschenknochen. Wurden hier Opfer gebracht? Gab es Rituale, die wir uns heute kaum vorstellen können? Es wäre nicht das erste Mal in der Geschichte, dass die Verbindung von Himmel und Mensch einen dunklen Preis fordert. Vielleicht war Goseck nicht nur ein Ort der Himmelsbeobachtung, sondern auch ein Platz, an dem die frühen Bauern ihre Götter um Gunst baten, um die Zyklen der Natur zu meistern.

2005 – Die Rekonstruktion der Anlage steht, die Tore sind ausgerichtet, wie sie es vor 7.000 Jahren waren. Wir könnten hindurchgehen, spüren, wie die Sonne zur Wintersonnenwende aufstiege und das Südosttor durchdränge. Nur sind wir nicht zur Sonnenwende dort, sondern an einem hundsgemeinem, dafür umso heisseren Sommertag. Die Präzision, mit der diese Anlage funktioniert, beeindruckt noch heute. Und wir, die wir gewohnt sind, Zeit in Zahlen und Minuten zu messen, stehen da und fühlen die rohe Kraft der Natur, die uns an ihre Gesetze erinnert.

Goseck ist nicht nur eine archäologische Sensation, es ist auch Teil der «Himmelswege». Eine touristische Route, die dich durch die ältesten und faszinierendsten Funde der Region führt. Die Himmelsscheibe von Nebra, dieses bronzene Meisterwerk mit der ältesten Darstellung des Kosmos, ist eine weitere Station auf dieser Reise. Doch Goseck bleibt ein besonders mystischer Ort. Vielleicht, weil es mehr als nur ein Observatorium war. Vielleicht, weil wir hier spüren, dass der Mensch, auch ohne Technik und moderne Hilfsmittel, eine tiefe Verbindung zum Himmel hatte, die wir heute oft verloren haben.

Wir stehen dort, die Sonne knallt über uns, und fragen uns: Wie haben sie das nur gemacht? Wie konnten sie mit so einfachen Mitteln solch komplexe Zusammenhänge verstehen? Und doch ist die Antwort einfach: Sie haben hingesehen. Sie haben beobachtet, was wirklich zählt. Der Himmel, die Sonne, das Leben.

Und so stehen wir da, mit offenem Mund und grossen Augen, während die Drohne surrend zurückkehrt. Die Fotos blitzen auf dem Smartphone auf, und ehe wir uns versehen, planen wir schon die nächste Etappe auf unserem Telefon. Thüringen, Sachsen, Bayern – das alles nur ein paar Klicks entfernt. Gerd hat längst die App im Blick, prüft routiniert den Gastank, wirft einen schnellen Blick auf die Solaranzeige. Alles unter Kontrolle, alles digital, so wie wir eben sind. Die Vorstellung, das alles ohne diese Helferlein zu tun, wirkt plötzlich wie ein Relikt aus einer anderen Zeit, aus einer Welt, die wir kaum noch begreifen könnten.

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