Iran – Ab in die Wüste. Und ein Familienpicknick.

Iran – Ab in die Wüste. Und ein Familienpicknick.

Wie viel kann man an einem Tag erleben?
Vorsicht, heute könnte es lang werden.

Zuerst erleben wir, wie gestern beschrieben, wieder einmal die iranische Gastfreundschaft und jetzt, ganz entspannt, geht es endlich in die Wüste. Wir zwei, unser Wüstenfahrzeug (nicht!) Felix und unser ganzer Mut.

An einem der verlassenen Kreisverkehre kaufen wir noch Gemüse und ein paar Snacks, nicht dass wir da draussen noch verhungern.

Die Strasse führt weit aus dem letzten Dorf hinaus, Google Maps weiss schon lange nicht mehr weiter. Aber meine neue Lieblingsapp map.cz zeigt: Es gibt einen Sandweg. Irgendwann halten wir am Wegesrand, gehen lieber mal ein Stück zu Fuss vor. Dreieinhalb Tonnen lassen sich nicht so einfach aus dem Sand schieben, also sondieren wir die Lage.

Nach zwei Kilometern kommt eine Art Posten, Polizei oder Eingang zum Nationalpark. Wer weiss? Der freundliche Herr wundert sich: Wo ist unser Auto? Hier kommt doch niemand zu Fuss durch! Ja, gute Frage, wo ist unser Felix?

Auf unserer Wanderung über den teilweise sehr tiefen Sandweg kommen uns immer wieder Autos voller Familien entgegen. Sogar ein, zwei mittelgrosse Reisebusse sehen wir. Sollen wir es wagen?

Gerd will nicht, ich würde es versuchen. Nur: Meistens fährt Gerd, er kennt unseren Felix viel besser. Ich kann ihn überreden, schliesslich sind wir von der iranischen Gastfreundschaft noch nie enttäuscht worden. Heute, versuche ich ihn zu überreden, lassen wir es darauf ankommen. Und sei es nur, damit die Einheimischen hinterher eine gute Geschichte über die unfähigen Touristen haben. Abgemacht!

Also heizen wir schnell – haben wir schliesslich gelernt, niemals im Sand stehenzubleiben! – die Holper-Sand-Piste entlang, kommen immer wieder ins Schlingern und erreichen wieder den Posten. Jetzt müssen wir wieder Millionen oder so bezahlen, CHF 1.50 für uns und unser Wohnmobil. Aber es geht weiter, noch drei, vier Kilometer diese wunderschöne, jetzt bergige Sandpiste entlang. Felix schüttelt sich, scharrt kurz mit den Reifen und schon sind wir eines der Offroad-Expeditionsmobile. Yippie, ich bin glücklich!

Am für uns nun wirklich sichtbaren Ende der «Strasse» halten wir an, hier ist eine Art Treffpunkt. Man kann Tee kaufen, picknicken, in die Wüstendünen steigen und Kamele zum Reiten mieten. Auch Quads, Landrover und Motorräder stehen für rasante Wüstenfahrten bereit. Alles etwas zu laut für unsere Ohren. Wir stapfen zu Fuss die Dünen hinauf, hinter dem ersten Sandrücken ist es still, nur die Wüste und wir. Und: um die 20 Grad und Sonne.

Ich kann es immer noch nicht fassen, dass wir jetzt in einer der iranischen Wüsten sind. Zwar nur am Rande, aber immerhin: Wüste. Schnell sind die Schuhe ausgezogen, schnell bereue ich es. Der Sand ist heiss. Und jetzt wieder Sand in den Schuhen: eine meiner fantastischen Ideen. Manchmal übertreffe ich mich.

Aus einer der Dünen dringt leise Musik. Eine Mädchenklasse sitzt im Sand, in der Mitte spielt eine der jungen Frauen auf einem Instrument, dessen Namen wir eigentlich kennen müssten. Ich beschreibe es mal so: Sie spielt auf einem umgedrehten Wok und entlockt dem Kochtopf die schönsten Töne. Wir dürfen uns dazusetzen.

Nach der Musik leitet der Lehrer eine Meditation an. Wir machen einfach mit. Wir sitzen im warmen Sand, legen die Hände in den Schoss, schliessen die Augen und meditieren auf Farsi. Ruhe durchströmt unseren Körper und wir sind einfach nur da. Eine tiefe Dankbarkeit macht sich in uns breit und ich könnte stundenlang so sitzen. Aber wie das so ist: Jede Meditation hat irgendwann ein Ende.

Und wie das so ist in Iran: Die Mädchen wollen Selfies mit uns machen. Wir lassen uns fotografieren, wandern auf mehrere Smartphones und an uns werden die frisch gelernten Englischkenntnisse getestet. So süss, wie wir immer und immer wieder die gleichen Fragen beantworten müssen. Irgendwann kommt der Lehrer zu uns und entschuldigt sich höflich, schliesslich hätten sie so selten die Möglichkeit, unsere Englischkenntnisse anzuwenden.

Langsam verlassen wir die Düne, schlendern zu unserem Felix. Hinter dem einzigen Reisebus hier sitzt eine ganze Familie beim Picknick. Iran ist, glaube ich, DAS Picknick-Land! Man winkt uns zu, deutet mit der Hand an, dass wir uns setzen sollen! Der riesige Teppich ist ausgebreitet, der Tee schnell in die Tassen geschüttet. Schon sitzen wir da, unterhalten uns per Google-Translate und lachen so viel wie schon lange nicht mehr. Zu dem riesigen Picknick fügen wir unsere frische Melone hinzu, dafür haben wir Essen für eine ganze Woche auf unseren (ihren) Tellern.

Stundenlang sitzen wir zusammen, plaudern, erfahren viel über die Familie und das Leben im Iran. Im Gegenzug frage ich, ob wir den Kindern einen Fussball schenken dürfen. Schliesslich haben wir ein paar Champions-League-Bälle im Auto. Sie strahlen, Gerd holt einen Ball und gibt ihn den Mädchen. Schnell wird gekickt und Volleyball gespielt. Das Strahlen der Kinder ist einfach wunderbar.

Als es Zeit zum Aufbruch ist und ein Sandsturm aufzieht, packen wir alle ein. Gerd zeigt den Damen unseren Felix (worauf sie ihren Männern sagen, was sie jetzt haben wollen!), pustet noch einen Ball auf (als wir merken, dass es eigentlich zwei Familien sind) und wollen uns verabschieden. Die Kinder kommen mit den Bällen zu uns und wollen sie uns zurückgeben. «Nein, das ist ein Geschenk für euch!» Sie können es kaum glauben. Als sie dann sehen, dass es ein Ball von einer (irgendeiner, denn sie haben keine Ahnung von europäischem Fussball) Meisterschaft ist, leuchten ihre Augen und sie halten die Bälle fest wie Schätze.

Beim Abschied schenkt mir eine der jungen Frauen einen typisch iranischen Schlüsselanhänger und der Papa seine Gebetskette. Mehrmals schaue ich ihn fragend an. Wirklich? Die soll ich annehmen? Ja, sie wird mir Freude und Glück bringen. Um mich herum ist es geschehen, mir schiessen die Tränen in die Augen und obwohl Körperkontakt zwischen Mann und Frau nicht gern gesehen ist, lehne ich mich schluchzend in Gerds Arme. Da hat es mich wohl völlig überwältigt.

Nach und nach umarme ich alle Frauen und der Papa nimmt Gerd in den Arm. Der Abschied fällt wirklich schwer. Und wir verlassen die Familie mit dem Versprechen, sie in Kashan zu besuchen, wenn wir noch einmal durch die Stadt kommen.

Jetzt liegt nur noch der Weg aus der Wüste vor uns. Gern hätte ich hier geschlafen, aber die immer zahlreicher werdenden Autos voller Jugendlicher lassen auf eine Partynacht unter freiem Himmel schliessen und die Wettervorhersage spricht von Regen. Und der bedeutet Modderschlamm. Diesmal setzt sich Gerd durch und rast wie ein echter Wüstenfuchs mit unserem Felix durch die zuvor gemeisterten Sandpisten.

Als wir wieder festen Boden unter den Rädern haben, wird uns bewusst, was für ein unglaublicher Tag das heute war. Es wird still im Auto, wir rollen noch ein paar Kilometer durch die Berge, bis es dunkel wird. Aber davon später mehr, versprochen!

leben pur

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Iran – Ab in die Wüste. Und ein Familienpicknick.

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Merci fürs «Mitreisen»

Wir überlegen, im Sommer wieder eine Reisepause zu machen und unsere Familien in Deutschland und der Schweiz zu besuchen. Mit dabei ist eine Idee, einen Vortrag über unsere lange Reise bis an den persischen Golf vorzubereiten. Falls Ihr Lust hättet, was würde euch am meisten interessieren? Hier werden wir auch Geschichten erzählen, die hier auf dem Blog keinen Platz finden. Wir denken an den Raum Bern und Berlin – einfach, weil wir da Familie haben. Aber auch andere Orte wären vorstellbar. Schreibt uns gern.

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Eva
Eva
2 Monate zuvor

Das Instrument ist eine handpan und ich liebe diesen Klang ❤️
Danke für die wunderschönen Texte und Bilder Eurer Reise. Ich lese sie alle!
Ich grüße euch von Öland in Schweden.

Martina
Martina
2 Monate zuvor

Bevor das Instrument Handpan hiess, hiess es mal Hang (ja das ist Berndeutsch). Die original Hang werden leider nicht mehr hergestellt, dafür gibt es nun auf der ganzen Welt Handpans und jedes Mal ist es eine Freude sie zu hören. Und die Menschen die sie spielen sind immer wundervoll. Ein bisschen bekomme ich Angst wenn ich die junge Frau hier spielen sehe, aber das ist wohl meine eigene Paranoia.
Und ja Picknicken ist die Lieblingsfreizeitbeschäftigung aller Iraner*innen. Überall, auch mitten in der Stadt am Strassenrand. Ich träume noch davon, mal an einem Wüstenrave dabei zu sein. Da hatte ich doch zu viel Schiss.

Martina
Martina
2 Monate zuvor
Reply to  Heike Burch

Dass im Winter auch gepicknickt wird, wusste ich auch nicht. Wohl wirklich einfach immer und überall.

Wieso die Hang nicht mehr hergestellt werden, weiss ich nicht. Ich glaube einerseits war die Nachfrage zu gross und die Erbauer wollten lieber neue Instrumente entwickeln.

Ich kannte um 2010 ein paar Künstler mit Hang. Die gab es nicht online oder „ab Stange“ sondern individuell hergestellt.

https://de.wikipedia.org/wiki/Hang_%28Musikinstrument%29?wprov=sfla1

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