Türkei – Das Schöne der Einfachheit

Türkei – Das Schöne der Einfachheit

Wir übernachten in einem Bergdorf. Versuchen natürlich wieder einmal, nicht im Dunkeln einen Stellplatz zu finden. Klappt fast immer. Heute nicht.

Ich navigiere uns über Nebenstrassen durch die Berge. Wegen der schönen Aussicht. Haha. Es wird dunkel und wir finden etwas mitten in einem Bergdorf. Entweder ist in diesem Dorf gerade der Strom ausgefallen oder es ist völlig unbewohnt. Aus keinem der Fenster scheint heimeliges Licht.

So stehen wir auf einer Art Dorfplatz. Wir machen es uns gemütlich und gehen früh zu Bett. Jetzt jedoch erwacht das Dorf. Allerdings nicht menschlich, sondern tierisch. Offensichtlich befinden wir uns mitten in einem Hundetreff. Die Hunde bellen um die Wette, jaulen und teilweise rappelt es an unserem Felix.

Wie schon so oft scheinen die Hunde gerne unter unserem beheizten Häuschen zu nächtigen. Sollen sie ruhig. Aber bitte nicht streiten, es ist genug Platz für alle da.

Am Morgen kramen wir dann unsere letzten Kilo Katzen- und Hundefutter hervor und füttern die Rasselbande. Bei 10 Hunden haben wir aufgehört zu zählen, Gerd macht mehrere Futterhaufen, damit es keinen Streit gibt. Klappt natürlich nicht. Egal.

Nach dem ersten Kaffee hier oben füllen wir noch Wasser nach, das Quellwasser in den Bergen schmeckt viel besser als das verchlorte in den Städten. Und schon geht es weiter durch die Berge.

Ein kleines Hüngerchen macht sich breit, wir wären auch für eine Teepause zu haben. Kaum gedacht, kommen wir an einem kleinen – sagen wir mal – Ausflugslokal vorbei. Es ist zwar geschlossen, aber hinter dem Haus entdecken wir einen Mann, der Holz hackt. Auf dem Parkplatz tummeln sich ein paar Hunde und 6 Welpen.

Schnell sind wir uns einig, der Herr macht uns Tee. Wir müssen etwas warten, anscheinend hat er nicht mit Gästen gerechnet. Er lädt uns in sein Haus ein, ein einziger Raum, zwei Tische für Gäste, ein Sofa, ein Bett. Auf dem Herd kocht Tee, im Ofen prasselt ein Feuer, welches rasch den Raum wärmt.

Er erzählt, lacht, wir verstehen nichts. Aber das macht nichts. Mit dem Google-Übersetzer bedanken wir uns für das gemütliche Feuer und den Tee. Ich frage nach dem Alter der Welpen, seine Augen beginnen zu leuchten, sein ganzes Gesicht lacht und er streckt drei Finger in die Luft. Drei Wochen? Drei Monate? Ich frage nicht nach.

Wir schauen uns um: einfach ist es hier, sehr einfach. Der Mann scheint noch weniger zu besitzen als wir. Kein Strom, kein Handy, kein Fernseher. An der Wand eine türkische Fahne und ein schönes Bild von Atatürk. Er bemerkt unseren Blick und erzählt überschwänglich, beim Namen Atatürk leuchten seine Augen wieder. Wir nicken, verstehen nicht, was er sagt.

Er giesst Tee nach, legt mehr Holz ins Feuer und fragt, woher wir kommen. Wie das geht? Er zählt einfach alle Länder auf, die er in uns vermutet. Hollanda? Almanya? Wir sagen eines unserer wenigen mühsam erlernten Worte: İsviçre. Er strahlt, fast richtig geraten. Er zeigt auf mich und sagt sehr überzeugend: Hollanda. Ja, das höre ich nicht zum ersten Mal, seit Jahren werde ich in der Welt als Holländerin bezeichnet. Warum, weiss ich nicht und hier können wir wohl kaum fragen. Wir klären auf, Gerd zeigt auf mich und sagt Almanya. Ha, da lacht er auf diese Art, die sagen würde: «Ich hab’s gewusst!»

Irgendwann verlassen wir die Einfachheit seiner Behausung, bezahlen etwas, bedanken uns und streicheln noch einmal die Hunde und Welpen.

Während Gerd ihm das Geld überreicht, nimmt unser Gastgeber die paar Scheine, legt diese auf den Boden im Garten und bedankt sich bei uns. Wir sind etwas irritiert.

Später lesen wir: Wenn Sie der erste Kunde des Tages sind, werden Sie vielleicht überrascht sein, wenn der Ladenbesitzer Ihr Geld nimmt und es auf den Boden legt oder wirft. Dieser erste Verkauf wird Siftah (Seef-Tah) genannt und hat einen hohen Status. Es ist eine Möglichkeit, Allah für sein Glück zu danken und zu hoffen, dass der Rest des Tages erfolgreich sein wird. (Quelle)

Jetzt, Stunden später, freuen wir uns gleich nochmal über den Besuch.

Wir hängen unseren Gedanken nach, fast gleichzeitig fangen wir an zu reden: «Von diesem Mann können wir wirklich viel lernen…», diese ruhige Ausstrahlung, die Freundlichkeit und das einfache Leben in der Natur. Einfach schön.

Ob wir so leben wollen? Sicher nicht, aber von dem einen oder anderen Charakterzug könnten wir uns eine Scheibe abschneiden.

leben pur

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Merci fürs «Mitreisen»

Wir überlegen, im Sommer wieder eine Reisepause zu machen und unsere Familien in Deutschland und der Schweiz zu besuchen. Mit dabei ist eine Idee, einen Vortrag über unsere lange Reise bis an den persischen Golf vorzubereiten. Falls Ihr Lust hättet, was würde euch am meisten interessieren? Hier werden wir auch Geschichten erzählen, die hier auf dem Blog keinen Platz finden. Wir denken an den Raum Bern und Berlin – einfach, weil wir da Familie haben. Aber auch andere Orte wären vorstellbar. Schreibt uns gern.

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2 Kommentare
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Rachel
Rachel
3 Monate zuvor

Was mich überrascht hat:
Sehr sauber und ordentlich die kleine Behausung. 👍
Ja, wir könnten viel lernen.
Aber wer würde es wollen und schaffen, den Weg zurück in die Einfachheit ?

Immer wenn Politiker von Wachstum reden, Frage ich mich „wohin“?
Wohin wollen wir denn noch wachsen, was den Konsum betrifft ?

Das einzige was wirklich wächst,
ist die Zahl der Menschen, die bald garnichts mehr haben, die Müllberge und die wenigen die vor lauter Reichtum nicht mehr wissen wo ihr eigener Wahnsinn beginnt.

Weiterhin eine gute Reise und genießt die Ruhe und das einfache Leben.

Alles liebe vom Racheli

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