Spanien – Schockfahrt von Valencia nach Alicante

Schockfahrt von Valencia nach Alicante

Aufwachen im Hostel. Wir haben sehr gut geschlafen, alle im Zimmer waren sehr leise und ich konnte sehr gut schlafen. Witziger weise habe ich das erste Mal auf der Reise in einem richtigen Bett geschlafen und habe prompt Rückenschmerzen. Aber egal, wir packen leise unsere Sachen und schleichen aus dem Zimmer. Um 8 soll es Frühstück geben, für 2,50€ pro Person. Wir, typisch Schweizer Pünktlichkeit, sitzen Viertel vor 8 mit komplett gepackten Sachen im socializing-Kitchen-room und warten. Warten bis 15 nach 8 und nichts passiert. Scheinbar ist in einem Hostel so früh noch nichts los. Halb 9 bekommen wir dann üppiges Frühstück. Haha… Aber egal, Kaffee, Zuckerwasser, äh, Saft und weissen Toast. Dazu Marmelade einzeln verpackt und Cornflakes mit Sojamilch. Achso, und noch ein einzeln verpacktes Schoggicroissant. Das nehmen wir mit für unser zNüni, welches wahrscheinlich viel später passiert.

Unsere Mitschläferin, eine junge Schweizerin, kommt nun auch langsam in den Frühstücksraum, sie fliegt heute noch nach Ibiza. Auf ihrem Koffer steht noch Lissabon, sie macht wohl eine Europatour. Manchmal bin ich etwas neidisch, dass ich früher so etwas cooles nicht gemacht habe. Und dann, ganz schnell, denke ich an meine süssen Kinder und freue mich, dass ich sie so früh bekommen habe und bin sehr sehr glücklich darüber. Und jetzt, mit meinen jungen 42 Jahren, darf ich mit meinem Schatz durch die Lande düsen. Das ist auch sehr schön.

Wir sind also um 9 aus dem Hostel in Valencia raus und eigentlich ganz froh, dass wir die Stadt verlassen. Irgendwie finden wir Städte nicht ganz so toll. Vielleicht ist es auch die Hitze, wir wissen es nicht so genau. Während wir so raus fahren und ich immer mal wieder nach einem Telefonladen Ausschau halte (wir wollen noch eine Simkarte kaufen) kommen wir in einen kleinen Stau. Scheinbar gab es weiter vorne einen Unfall. Plötzlich fahren wir an der Unfallstelle vorbei und auf der Strasse liegen zwei Menschen. Dem Mann ist das Bein komisch zur Seite gedreht, die Frau liegt nur auf der Seite und man kann nicht erkennen, was los ist. Sicher etwa 100 m weiter liegt das Motorrad. Mir fährt der Schreck in die Knochen. Mir ist kotzübel. Ich habe Angst. Mir dreht sich alles. Ein paar Menschen auf der Strasse leiten uns an Autos und Bussen vorbei und es gibt wohl schon erste Hilfe. Wir fahren also ganz langsam vorbei. Gerd erzählt mir später, dass er das Paar schon vorher beobachtet hat, dass sie unerhört schnell auf der Busspur gefahren sind, nur mit Shorts und Shirt bekleidet. Und Helm. Wobei den Helm habe ich dann beim vorbeifahren nicht gesehen. Oh Mann, ich bin gerade beim Schreiben wieder ganz unruhig.

Wir fahren also weiter. Mir ist danach, die eigene Reise abzubrechen und nur noch am Strand zu liegen. Ich mag keinen einzigen Kilometer mehr mit dem Moto machen. Aber erst mal müssen wir fahren, da wir nun mittlerweile auf der Autobahn sind. Gerd fährt etwas und ich versuche mich zu beruhigen.

Während ich so nachdenke, völlig geprägt von Angst und Übelkeit, mache ich das, was ich am besten kann in diesen Situationen. Ich segne unsere Reise. Ich segne das verunfallte Paar und ich segne alle Helfer, alle Ärzte, die nun sicher sehr viel tun haben. Ich segne und segne. Und segne. Und langsam geht es etwas besser und ich fahre tatsächlich etwas runter.

Mein Handy zeigt mir derweil an, dass die nächste Stadt Xàtiva ist und diese wohl eine historisch wichtige Stadt sei. Also nichts wie hin. Etwas Ablenkung tut mir (und wie ich später merke auch Gerd) sehr gut. In der Stadt gibt es eine denkmalgeschützte Altstadt, durch die wir durch super enge Gassen fahren können und dann gibt es noch eine Burg weit oben, auf die müssen wir natürlich auch. Sehr kurvenreich geht es hoch. Ich wünsche mir in Gedanken ein schönes Café mit Aussicht über die ganze Stadt. Wunscherfüllungsprogramm läuft wieder mal sehr gut, oben trinken wir unseren üblichen Espresso und unser neues Lieblingsgetränk, unseren Melcotón Zuma. Dazu das Schoggicroissant und wir geniessen derweil etwas die Aussicht. Ich bin mir nicht sicher, ob ich über den Unfall reden will. Denn darüber reden heisst wieder dran denken. Wir sind beide eher still. Ich persönlich finde den Tag nun absolut scheisse und würde mich am liebsten irgendwo einschliessen.

Ich hatte am Vorabend auf einer Website für Motorradreisen eine tolle Bergtour gefunden, die wir eigentlich machen wollen, hunderte Kurven sind das Ziel. Ich vertraue meinem Schatz und wir fahren also los auf diese Strecke. Ich weiss, wenn es nicht geht, machen wir eine Pause und stellen unser Zelt irgendwo auf.

Ich werde überrascht von dieser schönen Landschaft im spanischen Hinterland. Unweit der Küste ist es in den Bergen einfach nur traumhaft schön. Wir kurven die Pässe hoch und runter, meine Angst verflüchtigt sich und Gerd fährt wie immer einfach nur gut. Ich fotografie was das Zeug hält, geniesse die Aussicht und liebe das Leben wieder. Wir fahren und fahren, die Pässe sind etwa 1000 müM und es kühlt sich von 30 auf frische 25 Grad ab. Ab und zu machen wir Pausen, aber meistens geht es auf und ab, immer wieder Serpentinen hoch und runter. Als wir in Alicante ankommen, haben wir gar keine Lust, in dieser wenig schönen und komplett verbauten Stadt anzuhalten und fahren einfach weiter. Etwas später fahren wir an riesigen Salzseen vorbei und kommen dann an einen schönen Sandstrand mit einem Restaurant. Hier essen wir etwas, müssen uns aber mit der Sitte bekanntmachen, dass hier erst um 7 oder so die Küche wieder aufmacht. Wir suchen noch einen Camping und werden fündig, wieder direkt am Meer und ohne Pool. Das wird so langsam für uns zum Qualitätsmerkmal. Wenn es keine Pools gibt, ist auch nicht die Hölle los. Genau unser Ding also. Wir beschliessen, hier sogar 2 Nächte zu bleiben, schliesslich wollen wir mal ausspannen, Wäsche waschen, es uns gutgehen lassen.

Nachdem wir das Zelt aufgebaut haben, gehen wir ans Meer, ins Meer und schwimmen und toben in den Wellen. Es ist so schön, den Tag, die Angst, den Fahrstress abspülen zu können. Ich glaube, Gerd braucht hier viel mehr Schlaf als ich, er leistet auch viel viel mehr. Er ist die ganze Zeit aufmerksam, er fährt, er lenkt, er macht. Ich geniesse. Er vielleicht auch, aber anders.

Nach dem Bad gehen wir duschen, alles picobello sauber hier und dann schnappen wir unser Kartenspiel und gehen ins Restaurant. Trinken Sangria und sind wieder einmal betrunken. Naja, nicht so sehr wie in Valencia, aber ein wenig dreht es schon.

Leider gewinne ich auch im Kartenspiel nicht. Aber ich gönne Gerd den Gewinn (ein wenig).

So langsam ist es Zeit zum schlafen. Wir gehen zum Zelt, kuscheln uns in unsere Schlafsäcke und stellen fest, dass es kurz nach 9 ist. Augen zu und schon schlafen wir.

 

 

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